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Mittelstandsunion von CDU/CSU fordert Fusion von ARD und ZDF



Die Mittelstandsvereinigung von CDU/CSU (MIT) plant eine umfangreiche Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) in Deutschland. Das ist das Ergebnis einer Kommission um den Chef der MIT (diese ist keine Partei-Gliederung), Carsten Linnemann und dem parlamentarischen Geschäftsführer der CSU, Stefan Müller, wie die WELT am 25.2.2021 berichtet. Diese Reform-Forderungen um den CDU-Politiker Linnemann kommen, um es deutlich zu sagen, einer medienpolitischen Revolution gleich.


Der größte Eingriff betrifft die Organisation der Anbieter ARD und ZDF: „Es soll künftig nur noch eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt geben. Die bisherigen Sender sollen unter diesem Dach fusionieren. Mehrfachstrukturen sollen entfallen“, heißt es in dem Papier. Damit würde aus ARD und ZDF künftig eine zentrale Sendeanstalt für ganz Deutschland. Die derzeitigen 9 Landesrundfunkanstalten würden somit aufgelöst werden. Dieser Punkt ist aber vollkommen unrealistisch und kein Landespolitiker von Rang würde diese Forderung unterstützen. Zum föderalen Deutschland gehören nicht nur die Länder sondern auch Landesrundfunkanstalten. Über die jeweilige Anzahl kann und muss aber leidenschaftlich diskutiert werden. Auf Dauer kann sich dieser Staat weder 16 Länder noch 9 Landessendeanstalten leisten. Insgesamt finanzieren Bürger, Unternehmen und Behörden 13 ör Sendeanstalten (mit Deutschlandradio/DLF, Deutsche Welle, Arte). Die Anzahl muss deutlich reduziert werden.

Die MIT schlägt weiter vor: „Die zahlreichen linearen TV-Vollprogramme sollen auf wenige Kanäle konzentriert werden. Auch die Radiosender müssen auf den Kernauftrag reduziert werden, so dass von den derzeit 74 Radiosendern ein signifikanter Teil entfallen muss.“ Hier stimmt der Vorschlag zu 100 Prozent. In der heutigen Zeit, mit unzähligen Angeboten über verschiedene Verbreitungswege, braucht es keine 19 Fernseh- und 77 Hörfunk-Programme (so die aktuelle Anzahl der Radio-Prog.) von ARD und ZDF. Ohne die inhaltliche Angebotspalette zu schmälern, sind 7 bis 10 Fernseh- und 26 Hörfunk-Programme (darunter 10 Genre-Prog.) vollkommen ausreichend. Beim Fernsehen besteht ein großer Sendeanteil nur aus Wiederholungen und beim Hörfunk wird ein Genre bis zu 10 Mal produziert und ausgestrahlt. Das verschlingt Kosten in Milliardenhöhe.

Nach Plänen der MIT soll die eine Sendeanstalt „Korrespondentenbüros (regional, national, international) und Fachredaktionen betreiben, die für alle Ausspielwege (Hörfunk, Video, Online-Formate) produzieren (nicht mehr getrennt nach Sendern oder Sparten). Leitung, Personal, Verwaltung, Einkauf, Rechtvermarktung soll gemeinsam erfolgen“. Um Kosten zu sparen, kann der ÖRR schon heute ein Unternehmen gründen, welches alle Aufgaben in Verwaltung, Einkauf und Rechtevermarktung übernimmt. Die MIT-Politiker denken an das föderale Deutschland: Um weiterhin dem föderalen Charakter der bisherigen Sender gerecht zu werden, „sollen die Fachredaktionen auf verschiedene Standorte im gesamten Bundesgebiet verteilt werden“. Dieser Punkt wird nicht zu realisieren sein. Alternativ bieten sich hier wenige große leistungsstarke Sendeanstalten an.

Auch den Sendeauftrag möchten die MIT konkretisieren. „Ziel ist ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk mit besserem Informations- und reduziertem Unterhaltungsangebot, der mit veränderten Strukturen insgesamt günstiger wird.“ Dazu müsse das Informations- und Bildungsangebot gestärkt werden. Derzeit senden ARD und ZDF zur besten Sendezeit zu viele Sendungen, die in erster Linie eine (sehr) gute Quote einfahren sollen. Lange Sendestrecken bestehen fast nur aus Krimis, Seifenopern, Unterhaltungsfilmen, Quiz-Shows und Boulevard-Sendungen. So werden z.B. Kultur-Magazine erst um 23:05 Uhr (ARD sonntags) bzw. um 23:30 Uhr (ZDF freitags) ausgestrahlt. Das widerspricht dem ör Sendeauftrag zu 100 Prozent.


Konkret wird es im MIT-Papier zum Punkt Information. Einen besonderen Wert wird neben der Auslandsberichterstattung, auf eine Ausweitung der Regionalkompetenz, mehr Dokumentationen und zusätzlichen Live-Übertragungen von politisch, wirtschaftlich sowie gesellschaftlich relevanten Ereignissen gelegt. „Liveübertragungen bedeutsamer Sportereignisse (z. B. Fußball-WM, -EM, Champions League, Olympische Spiele) müssen weiterhin im Free-TV empfangbar sein. Das muss aber nicht unbedingt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erfolgen“, so die Autoren des Papiers. Bei der ARD liegt der Sport-Etat jährlich bei rund 1 Milliarde Euro. Hier muss der ÖRR den Rotstift ansetzen.


Zum Thema Unterhaltung heißt es im MIT-Papier: Auch „das Kultur- und Unterhaltungsangebot soll auf eine Basisversorgung reduziert werden, die sich auf Inhalte beschränkt, die nicht von privaten Anbietern wirtschaftlich angeboten werden können“. Diese Formulierung ist zu schwammig um den Realitäten gerecht zu werden. Natürlich muss der Anteil der (Massen-) Unterhaltung bei ARD und ZDF reduziert werden, insbesondere in den Tagesprogrammen bei ARD, ZDF und den Dritten, aber die Unterhaltung gehört zum Sendeauftrag. Und was das Niveau vieler Unterhaltungssendungen bei den privaten Anbietern angeht, ist noch viel Luft betr. Qualitätssteigerungen nach oben.


Die MIT befasst sich auch mit dem heiklen Thema der Gebühren, diese soll ebenfalls neu geregelt werden. „Es gibt einen niedrigeren Rundfunkbeitrag – einen sog. Grundversorgungsbeitrag – pro Person ab Vollendung des 18. Lebensjahres. Juristische Personen sind befreit, da jede Privatperson ohnehin Beitragszahler ist. Das Beitragsaufkommen soll insgesamt sinken.“ Alle sieben Jahre solle eine grundsätzliche Überprüfung der Aufgaben und Strukturen erfolgen. Aus dieser Prüfung ergibt sich der Finanzbedarf. Aktuell betragen die jährlichen Gebühreneinnahmen ca. 8,1 Mrd. Euro – die Gesamteinnahmen des ÖRR liegen bei über 10 Mrd. Euro (mit Werbung, Zinsen, Prog.-Verkäufe und Mieten). Mit den Steuergeldern vom Bund für die Deutsche Welle (390 Mio. Euro) und den Kosten für die 14 Landesmedienanstalten (rd. 150 Mio. €) beläuft sich die Summe auf bis zu 11 Milliarden Euro. Damit ist Deutschland uneinholbarer Weltmeister.


Das die Gehälter und Betriebsrenten (monatl. durchschnittl. rd. 2.000 € je Pensionär) beim ÖRR über den Strukturen des öffentl. Dienstes liegen ist bekannt und dbzgl. fordert die MIT: „Die Vergütung künftiger Führungskräfte und Mitarbeiter soll in der Höhe an den Vergütungen im öffentlichen Dienst angelehnt werden.“ In diesem bereich könnten die Kosten um Milliardenbeträge reduziert werden. Weil die Gebührenerhöhung nicht zustande kam, haben einige ör Sendeanstalten die laufenden Tarifverträge gekündigt – die Finanzen reichen nicht.


Ausgedient haben nach Ansicht der MIT Rundfunk- und Verwaltungsräte. Die Aufsicht über die eine Rundfunkanstalt werde vollständig demokratisiert: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht ein Rundfunkparlament. Dieses Rundfunkparlament ist das alleinige Aufsichtsorgan. Wählbar sind und wählen können alle grundsätzlich Rundfunk-/Grundversorgungsbeitragspflichtigen.“ Das ist ein mutiger und notwendiger Vorschlag. In den ör Aufsichtsgremien sind zwar Vertreter von gesellschaftlich-relevanten Verbänden und Organisationen vertreten, aber dieses Modell ist nicht mehr zeitgemäß und so fühlen sich Millionen von Bürgern nicht mehr ausreichend repräsentiert. Ein besonderes Problem ist die Tatsache, dass auch (Regierungs-) Politiker in den Fernseh-, Rundfunk- und Verwaltungsräten mit Sitz und Stimme vertreten sind. Dieses widerspricht vollends dem Charakter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, soll er doch unabhängig von Staat und Politik agieren können. Die Medien sollen die Politiker „kontrollieren“ und nicht umgekehrt.


Insgesamt betrachtet ist das MIT-Papier ein interessantes, aber auch in wichtigen Punkten ein unrealistisches Reformpapier. Die Unions-Politiker um Carsten Linnemann und Stefan Müller geben Denkanstöße – für eine grundsätzliche Reform des ÖRR ist das Papier aber nicht geeignet. Von Politikern aus CDU und CSU darf und muss man mehr Realismus erwarten dürfen. Zudem zeigt auch dieses Reformpapier wieder deutlich, dass Politiker (aller Parteien) keine Medienexperten sind. Wer den ÖRR auf Dauer zukunftsfähig gestalten will, sollte nicht nur Demokrat und Politiker sein. Das gesamte Thema Rundfunk ist viel zu komplex und deshalb sollten und müssten auch (unabhängige) Medienexperten in die Reformarbeiten eingebunden werden. Alles andere ist nicht zielführend.

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