BVerwG-Urteil: Chance für die Bürger?
- Hans-Jürgen Kupka
- 16. Okt.
- 3 Min. Lesezeit

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat am 15.10.2025 entschieden, dass der Rundfunkbeitrag nur dann mit dem Grundgesetz vereinbar bleibt, wenn der ÖRR seinen „verfassungsrechtlichen Funktionsauftrag“ erfüllt. Kommt es über längere Zeit zu "gröblichen" Verfehlungen bei der Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit der Programme, könnte die Beitragspflicht ihre verfassungsrechtliche Grundlage verlieren. Geklagt hatte eine Frau aus Bayern (unterstützt von der Bürgerinitiative Leuchtturm ARD und dem Bund der Rundfunk-beitragszahler), die für den Zeitraum von Oktober 2021 bis März 2022 keinen Beitrag zahlen wollte. Sie argumentierte, ARD, ZDF und Deutschlandradio/DLF böten kein vielfältiges und unabhängiges Programm mehr, sondern dienten als "Erfüllungsgehilfen staatlicher Meinungsmacht". Daher habe sie keinen individuellen Vorteil durch das Angebot und müsse folglich nicht zahlen. Die Klage wurde abgewiesen und der Fall zurück nach München verwiesen. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte bereits die Klage ab. Er sah den rechtfertigenden Vorteil allein in der Möglichkeit, das ör Angebot grundsätzlich nutzen zu können, unabhängig von dessen Qualität oder inhaltlicher Ausgewogenheit.
Die Leipziger Richter stellten aber klar, dass die Beitragspflicht nach dem Rundfunk-beitragsstaatsvertrag zwar keine direkte Abhängigkeit von der Programmqualität vorsieht. Verfassungsrechtlich aber beruhe die Pflicht zur Zahlung darauf, dass das ör Programm den gesetzlichen Funktionsauftrag tatsächlich erfüllt – also Meinungsvielfalt sichert, Orientierung bietet und ein Gegengewicht zum privaten Rundfunk bildet. Allerdings setzte das BVerwG die Hürden für eine solche Annahme sehr hoch. Erst wenn das Gesamtprogramm von Hörfunk, Fernsehen und Online-Angeboten über einen längeren Zeitraum (mindestens zwei Jahre) "evidente und regelmäßige Defizite" bei der Meinungsvielfalt aufweise, könne von einem verfassungsrechtlichen Missverhältnis zwischen Beitrag und Gegenleistung gesprochen werden. Einzelne Fehler, Schieflagen oder politische Schwerpunktsetzungen reichten nicht aus. "Programmliche Vielfalt und Ausgewogenheit" seien Zielwerte, betonten die Richter. Sie ließen sich nur annäherungsweise erreichen, zumal den Rundfunkanstalten eine durch die Verfassung geschützte Programmfreiheit zustehe. Diese berechtige und verpflichte sie zugleich, ihren Auftrag eigenverantwortlich umzusetzen.
Ob die Klägerin die hohen Anforderungen erfüllen kann, bezweifeln allerdings die Leipziger Richter. Um eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zu erreichen, müsse sie „substantiiert und möglichst mit wissenschaftlichen Gutachten“ belegen, dass der ÖRR über längere Zeit gravierende Defizite bei der Meinungsvielfalt aufweist. Nach dem bisherigen Vorbringen erscheine das "überaus zweifelhaft", so die Richter.
Der ARD-Vorsitzende Florian Hager begrüßte das Urteil ausdrücklich: Es schaffe Klarheit, dass niemand die Zahlung des Rundfunkbeitrags individuell verweigern könne, und betone zugleich die Bedeutung der täglichen Arbeit an Perspektivenvielfalt und Ausgewogenheit. Die Klägerseite und die Bürgerinitiative Leuchtturm ARD sehen darin einen Teilerfolg, weil künftig Gerichte und nicht allein Rundfunkräte über inhaltliche Defizite urteilen können. Juristen und Medienexperten bewerten das Urteil unterschiedlich: Manche sprechen von einem „Geschenk an den ÖRR“, da es den Vielfaltsauftrag stärkt, ohne die Existenz des Systems zu gefährden.
Es zeigt sich sehr deutlich, wie komplex und politisch die Materie ist. Allerdings machen fast alle Beteiligten immer den gleichen Fehler und scheitern deshalb: Der ÖRR kann nicht (nur) mit juristischen Mitteln reformiert/umgebaut werden. Der Rundfunk für die Allgemeinheit ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe und muss daher aus den politischen Fachkreisen heraus geholt werden. Nur wenn die Bürger, ÖRR-Zahler und -Nutzer einbezogen werden, kann der Gordische Knoten zerschlagen und die vorhandene Schieflage in allen Bereichen beseitigt werden. Deutschland braucht ein repräsentatives Rundfunk-Parlament, mit Bürgern, Medien-experten und Medienpolitikern. Ist die Politik dazu aber bereit? Die Bürger müssen wohl aktiv werden, um das letzte Wort zu haben. Wie der ÖRR in Zukunft gestaltet werden soll, kann daher nur mittels eines Volksentscheides aufgezeigt werden.

