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Medien-Sturm wegen Notre-Dame


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Die Berichterstattung zum Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame hat einen Sturm in den deutschen Medien entfacht. Dem ÖRR wird von vielen Seiten vorgeworfen, nicht ausreichend über den Brand am Montag (15.4.2019) in den Abendprogrammen berichtet zu haben. Beide Anbieter hätten wieder falsch reagiert – sie hätten geschlafen. Ministerpräsident Laschet (NRW) fragte: „Warum muss man CNN einschalten während die ARD Tierfilme zeigt?“ und legte später nach: „Russia Today und Al Jazeera berichten, rechte Hetzer verbreiten erste Verschwörungstheorien und der ÖRR schläft.“ Sonia Seymour Mikich (ehemalige WDR-Chefredakteurin u. „Monitor“-Moderatorin) ist besonders von einem Sender enttäuscht. Sie twitterte: „Warum muss ich so lange bei CNN oder BBC einschalten? Tagesschau24 ist doch genau dafür geeignet?“ Und kurz danach nochmal: „Und tagesschau24? BBC,CNN, Russia today und Al Jazeera schaffen es doch auch.“ Ulrich Deppendorf (früherer Leiter ARD-Hauptstadtstudio) wiederum hatte Erwartungen ans „Erste“: „Warum gab es keinen ARD-Brennpunkt zum Brand von Notre-Dame, neben dem Eiffelturm das Symbol Frankreichs? Schwer nachzuvollziehen.“

Am Mittwoch räumte der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm ein, dass es ein Fehler gewesen ist, das Programm zwischen „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ nicht unterbrochen zu haben. „Es hätte uns gut zu Gesicht gestanden, wenn wir um 21 Uhr noch einmal eine ‚Tagesschau‘-Extra-Ausgabe mit einer Schaltung nach Paris oder einem weiteren Stück über die letzte Stunde gehabt hätten“. Er habe „mit Bedauern zur Kenntnis genommen, dass das nicht gelungen ist“. Der ARD-Programmdirektor Volker Herres sprach in diesem Zusammenhang von einer „technischen Panne“ und nahm es locker: „Shit happens“. Nach Auffassung von Herres habe die ARD das Thema – abgesehen von den genannten Einschränkungen – jedoch „angemessen verarbeitet“. Zugleich wies der Programmdirektor die vielfach geäußerte Kritik zurück, wonach es am Montag einen „Brennpunkt“ hätte geben sollen. „Im Endergebnis hätten wir eine brennende Kirche zeigen können um 20.15 Uhr“, so der Direktor. Um einen „Brennpunkt“ ins Programm zu nehmen, gäbe es allerdings „klare Kriterien“. So müsse eine solche Sondersendung einen Mehrwert bieten, der über die Berichterstattung der „Tagesschau“ hinausgeht. In diesem Fall hätten um 20:15 Uhr aber schlicht nicht mehr Informationen vorgelegen. Erst am Tag danach habe man Hintergründe (und Analysen) liefern können.

ARD-Vorsitzende Wilhelm ärgerte sich aber zugleich über die Kritik mancher Kollegen. „So manche Bewertung, die zu lesen war, die uns nicht ein Minimum an Sachverstand zugestehen wollte, ist wirklich grundlos.“ Es schmerze ihn, „wenn in Kommentaren tatsächlich für möglich gehalten wird, dass die diensthabenden Nachrichtenredakteure das Ereignis Notre-Dame nicht für das erstwichtige gehalten haben.“ Jeder, der aktuell berichte, kenne den Zeitdruck, unter dem solche Berichte entstehen. Zum Thema öffentl.-rechtlicher Nachrichtenkanal, den Ministerpräsident Laschet (CDU) am Montagabend auf Twitter gefordert hatte, meinte Wilhelm, dies sei „Sache des Gesetzgebers“ und spielte den Ball damit an die Politik zurück. „Natürlich hätten wir im Prinzip die Kraft und die Erklärkompetenz“. „Ein Wunsch des Publikums und auch vieler Kritiker, die auf uns blicken, wäre, dass wir in unserem Kernbereich der Informationen ein hohes Maß an Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten bekommen.“ Allerdings räumte Wilhelm mit Blick auf private Nachrichtenangebote ein, dass dieses Thema ein „wahres Minenfeld“ sei. Und wo kommen die Millionen her ?

Es ist Aufgabe der Landespolitiker den Rahmen für den ÖRR vorzugeben. Sowohl „Phoenix“ (hat am Montag ab 21.45 Uhr live berichtet) und „Tagesschau24“ sind keine Nachrichtenkanäle und haben dafür keinen Sendeauftrag. Ob der ÖRR einen eigenen News-Kanal anbieten muss, ist sehr fraglich. Stattdessen sollte „Das Erste“ zum Informations-Programm (auch mit Sport und guter Unterhaltung) ausgebaut werden, dann könnte die Programmleitung schneller und effektiver auf aktuelle Ereignisse reagieren. Die Politiker müssten nur den Rahmen vorgeben und die ARD-Intendanten und -Direktoren sollten Programmelemente wie Boulevard, banale Unterhaltung, Seifen-Opern und Werbung aus dem „Ersten“ tilgen. Und die „20-Uhr-Tagesschau“ wird auf 30 und die „Tagesthemen“ auf 45 Minuten erweitert. Das wäre anspruchsvolles öffentlich-rechtliches Fernsehen und Debatten um hastig auf Betroffenheit zielende „Brennpunkt“ Sendungen könnte die große ARD der Konkurrenz überlassen.

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