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CDU in Sachsen-Anhalt will Rundfunkgebühr nicht erhöhen


© ARD-Hauptstadtstudio – Foto Wolfgang Scholvien


Am 12. März 2020 debattierte die Ministerpräsidentenkonferenz über die Erhöhung des monatlichen Rundfunkbeitrags von aktuell 17,50 auf 18,36 Euro. Die Ministerpräsidenten stimmten dafür – nur Sachsen-Anhalt hatte sich der Stimme enthalten. Damit die Erhöhung aber ab 1. Januar 2021 in Kraft treten kann, müssen in den nächsten Monaten alle 16 Landes-Regierungen und -Parlamente zustimmen. Nun wächst der Widerstand gegen die Erhöhung in Sachsen-Anhalt in der CDU-Fraktion. Auch Ministerpräsident Reiner Haseloff ist kein Freund einer erhöhten Rundfunkgebühr. Zudem wird 2021 ein neuer Landtag gewählt.

Seit Wochen tobt in Sachsen-Anhalt ein Streit der dort regierenden Kenia-Koalition und der könnte sich bundesweit auswirken. Die drei Regierungsparteien CDU, SPD und Grüne in Magdeburg können sich nicht darauf einigen, ob sie einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags zustimmen sollen oder nicht. Der Medienausschuss im Landtag wurde am 29. April verschoben, weil die Positionen zu weit auseinander liegen. Die CDU-Fraktion will den Beitrag für den ÖRR nicht erhöhen, die Grünen hingegen schon. Und die SPD laviert um die Lösung herum. Kommt aber im Magdeburger Landtag keine Mehrheit für eine Erhöhung zustande, kippt der sogenannte „Erste Medienänderungsstaatsvertrag“ – und es würde keine Gebührenerhöhung geben. Die wirtschaftlichen Folgen für ARD und ZDF, Deutschlandfunk und Arte wären gewaltig. Und damit könnte die Gebühr ein medienpolitisches Erdbeben auslösen. Denn mit Hilfe der AfD, könnte die CDU das Vorhaben nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch in Thüringen kippen. Nach Ansicht der CDU in Sachsen-Anhalt muss der ör Rundfunk verlässlich bleiben. Im Anschluss an die Sitzung des „Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien des Landtages Sachsen-Anhalt“ erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer und medienpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Markus Kurze: „Die CDU-Fraktion setzt sich weiterhin für die Stabilität des Rundfunkbeitrages ein. Seit Jahren werben wir für die Beitragsstabilität und haben bereits 2015 die Senkung des Beitrages vorangetrieben. Bereits in vorangegangenen Berichten hat die KEF Einsparpotentiale benannt und deren Umsetzung gefordert. Der neueste Bericht zeigt deutlich auf, dass die geforderten Maßnahmen begonnen aber nur teilweise oder unvollständig umgesetzt wurden. Einige Kritikpunkte sind von den Rundfunkanstalten bisher gar nicht angegangen worden. Diese Notwendigkeit der vollständigen Ausschöpfung des noch vorhandenen Einsparpotentials sind in der Diskussion um eine Erhöhung nicht zu ignorieren. Aus Sicht der CDU-Fraktion kann daher einer Erhöhung des Rundfunkbeitrages nicht zugestimmt werden.“


Sollte sich die Kenia-Koalition nicht einigen können, könnte die CDU gemeinsam mit der AfD dafür sorgen, dass die Erhöhung des Rundfunkbeitrags scheitert. Dazu sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Markus Kurze: „Wir würden mit Sicherheit nicht scheitern.“ Außerdem zeichne sich inzwischen ab, „dass sich auch die Linke gegen eine Erhöhung ausspricht“. Die CDU setze sich seit vielen Jahren für eine „Beitragsstabilität“ ein. Man will gegenüber den Wählern also endlich liefern. Aber eine mögliche Querfront aus CDU, AfD und Linke gegen den Rundfunkbeitrag – für Markus Kurze wäre das kein Grund für einen Koalitionsbruch mit Grünen und SPD. „Die Änderung des Rundfunkstaatsvertrages ist nicht Teil unseres Koalitionsvertrages“, sagte er. Für die Grünen hingegen wäre dies ein kaum hinnehmbarer Affront, heißt es aus Regierungskreisen – auch wegen der bundesweiten Wirkung (Cicero 30.4.2020).


Lohnt sich die parteipolitische Auseinandersetzung und das mögliche Scheitern einer Regierung – für „nur“ 86 Cent mehr im Monat?

Aber gerade in Zeiten durch Corona bedingte wirtschaftliche Unsicherheit sei das mehr als nur Symbolik, heißt es aus der Magdeburger Staatskanzlei. Für Markus Kurze geht es außerdem um mehr: „Für 18,36 könnte man sich eine Berufsunfähigkeitsversicherung kaufen oder einen Handyvertrag. Aber der Bürger kann es eben nicht, sondern muss das zahlen. Darum ist jede Erhöhung möglichst zu vermeiden.“ Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) habe Einsparpotentiale benannt und deren Umsetzung gefordert. „Der neueste Bericht zeigt deutlich auf, dass die geforderten Maßnahmen begonnen, aber nur teilweise oder unvollständig umgesetzt wurden“, sagte Kurz. Einige Kritikpunkte seien von den Rundfunkanstalten bisher gar nicht angegangen worden. Der Beschluss seiner Fraktion habe deshalb nach wie vor Bestand: „Die CDU-Fraktion spricht sich gegen den „Ersten Medienänderungsstaatsvertrag“ aus“ (Cicero).


Für die CDU in den neuen Bundesländern, insbesondere in Sachsen-Anhalt, ist der Sachverhalt eindeutig: Der Osten werde bei den Produktionsstandorten und in den Gemeinschaftsprogrammen benachteiligt. Die Gehälter der Intendanten und die Personalkosten insgesamt seien einfach zu hoch und das könne man den Menschen im Osten nicht länger zumuten. Daher hatte MP Haseloff den ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow auch vor wenigen Wochen zu einem Gespräch nach Magdeburg eingeladen. Zwar werden immer wieder die vielen Doppelstrukturen von ör Verantwortlichen kritisiert, aber am Ende wird alles von allen durch gewunken. „Das Öffentlich-Rechtliche ist Westfernsehen geblieben“, kritisierte Ministerpräsident Reiner Haseloff schon 2017 in der Zeit. Der Osten werde nicht fair abgebildet. Auch in den CDU-Fraktionen von Thüringen, Sachsen und Berlin rege sich laut Markus Kurze Widerstand gegen die Erhöhung. „Wenn wir anfangen“, sagt er, „kann es gut sein, dass andere nachziehen“ (Cicero). In Thüringen wäre die Minderheitsregierung aus Linken, Grünen und SPD auf Stimmen der CDU angewiesen. Auch hier könnten AfD und CDU gemeinsam mit der FDP die Erhöhung des Rundfunkbeitrags kippen, aber ob das nach der Wahl von Kemmerich (FDP) im Februar noch möglich wäre, ist eher unwahrscheinlich.


Wie geht es nun weiter? Am 5. Juni wird der Medienausschuss im Landtag von Magdeburg erneut zusammentreten und am 11. Juni soll das Plenum dann seine Stellungnahme abgeben. Die nächste Ministerpräsidentenkonferenz mit Reiner Haseloff findet dann am 17. Juni statt. Sollte der Magdeburger Ministerpräsident angesichts der anhaltenden Positionierung der CDU-Fraktion seine Unterschrift verweigern, wäre der Vertrag bundesweit hinfällig. Im Jahr 2021 würde die Rundfunkgebühr dann weiterhin bei monatlich 17,50 Euro liegen. Die ör Anbieter ARD und ZDF müssten dann etliche Kürzungen in Apparat, Personalkosten und Programmen vornehmen. Nach Informationen von „Cicero“ hat Reiner Haseloff einen Brief an die Intendanten der Öffentlich-Rechtlichen Sender geschickt, in dem er darum bittet, die Forderungen der KEF eins zu eins umzusetzen. Eine Antwort der Intendanten von ARD und ZDF ist bis heute noch nicht in der Staatskanzlei eingegangen. Auch die CDU-Fraktion werde ihr Abstimmungsverhalten im Parlament von der Antwort der Intendanten abhängig machen, so Kurz.


Wenn MP Haseloff den Medienänderungsstaatsvertrag unterzeichnet, hätte der Landtag bis 31. Dezember Zeit um ihn zu ratifizieren. Sollten aber die Fraktionen von CDU und AfD (und evtl. auch Linkspartei) die Zustimmung zur Erhöhung verweigern, wäre es ein politischer Affront gegen den eigenen Ministerpräsidenten. Da Haseloff eine politische Krise im Land unter allen Umständen vermeiden will, hat er wohl auch den eindringlichen Brief an die Intendanten geschickt. Der Ministerpräsident kann so seiner CDU-Fraktion sagen, dass er alles unternommen habe, aber mehr kann das kleine Sachsen-Anhalt nicht erreichen. Aber unabhängig davon wie und durch wen der Vertrag am Ende scheitern würde, die Angelegenheit kommt dann direkt vor das Bundesverfassungsgericht. So heißt es schon jetzt aus Rheinland-Pfalz, das für die medienpolitische Führung verantwortlich ist. Die Änderung des Rundfunkstaatsvertrages habe schließlich Verfassungsrang. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wäre die Ablehnung des Medienänderungsstaatsvertrags eine wirtschaftliche Katastrophe, müssten sie doch damit anfangen, was die 16 Ministerpräsidenten seit 2016 einfordern – umfassende Reformen in allen Bereichen. Politisch betrachtet, wäre aber eine Zusammenarbeit von CDU und AfD wohl ein politisches Erdbeben und die bundesweiten Folgen kaum einzuschätzen. Medienpolitik ist eben auch Machtpolitik.

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