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Bundesverfassungsgericht lehnt ÖRR-Eilanträge ab


BVG Karlsruhe - Foto DLF


Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat die Eilanträge der Intendanten von ARD, ZDF und Deutschlandradio gegen die Blockade von Sachsen-Anhalt betr. der Beitragserhöhung am Dienstag (22.12.2020) zurückgewiesen (Az. 1 BvR 2756/20, 1 BvR 2775/20 und 1 BvR 2777/20). Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, hatte die Vorlage zur Novelle des Medienänderungsstaatsvertrags zurückgezogen. Damit verhinderte er eine Abstimmung im Magdeburger Landtag, bei dem die Ratifizierung mit den Stimmen von CDU und AfD hätte abgelehnt werden können. Seine Koalitionspartner SPD und Grüne wollten nicht mehr mit der CDU für eine Beitragsstabilität eintreten. Somit wird die Rundfunkgebühr nicht zum 1.1.2021 um 86 Cent erhöht und es bleibt bei monatlich 17,50 Euro.


In der Hauptsache ist aber noch nichts entschieden. Das BVG stellte nur fest das die Sendeanstalten nicht ausreichend darlegten, dass sie schwere Nachteile zu befürchten haben. Das Gericht schreibt zur Begründung der Abweisung, dass die Verfassungsbeschwerden zwar „weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet“ seien. Dabei verweist das Gericht auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der eine Verletzung der durch das Grundgesetz geschützten Rundfunkfreiheit zumindest möglich sei.

Die Beschwerdeführer haben aber nach Ansicht der Bundes-Richter nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihnen durch ein Abwarten bis zum Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens schwere Nachteile entstehen. So hätten die Sender nicht näher dargelegt, „dass eine verfassungswidrige Verzögerung des Inkrafttretens der Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags irreversibel zu schweren Nachteilen“ führt. Der Änderung des Rundfunkstaatsvertrages und der Erhöhung des Rundfunkbeitrages müssen alle 16 Landesparlamente zustimmen. Da dies nicht erfolgt ist und die Eilanträge von Karlsruhe zurückgewiesen wurden, kann die Novelle und somit auch die Beitragsanhebung zum 1. Januar 2021 nicht wirksam werden.

Der Erste Senat lehnte es auch ab, die Verfallsklausel im Änderungsstaatsvertrag vorübergehend außer Kraft zu setzen. Sie sieht vor, dass der Vertrag gegenstandslos wird, wenn bis Jahresende nicht sämtliche Ratifikationsurkunden da sind. Die Sender hätten nicht vorgetragen, weshalb die Klausel einer späteren Anhebung des Beitrags im Wege stehen sollte. Eventuell würde der Rundfunkbeitrag dann also entsprechend zusätzlich angehoben. Insgesamt geht es um zusätzliche Gebühren von ca. 400 Mio. Euro pro Jahr.

In einer ersten Reaktion nach dem Karlsruher Beschluss schrieb ZDF-Intendant Thomas Bellut: "Das ZDF hat die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis genommen und wartet das Verfahren in der Hauptsache ab. Ermutigend ist der Hinweis in der Begründung, dass eine Verletzung der Rundfunkfreiheit angesichts der bisherigen Rechtsprechung möglich ist." Auch der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow meldete sich am Abend in der 20-Uhr-Tagesschau zu Wort: „Wir müssen nun unsere Finanzplanungen anpassen. Ein Ausbleiben der Beitragsanpassung wird gravierende Maßnahmen erfordern, die man im Programm sehen und hören wird. Man werde nun gemeinsam beraten“.Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes Frank Überall hofft, dass das Bundesverfassungsgericht schnell ein Urteil fällt: „Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk drohen ohne den höheren Beitrag Einbußen im Programm, die auch die Hörer und Zuschauer bemerken würden.“ Das Urteil wird erst in ein bis zwei Jahren erwartet.

Die Sendeanstalten haben unterdessen deutliche Sparmaßnahmen angekündigt. Das Deutschlandradio rechnet in der im Januar beginnenden vierjährigen sogenannten Beitragsperiode (2021 - 2024) damit, dass ihm etwa 66,5 Millionen Euro fehlen, meldet der “Spiegel” via dpa. Man werde nun “zeitnah kurzfristig umsetzbare Sparmaßnahmen beschließen”, erklärte ein Sprecher.ZDF-Intendant Thomas Bellut hatte schon zuvor von 150 Millionen Euro gesprochen, die seinem Sender zu Unrecht entgehen würden – und das jedes Jahr. Von der ARD sind keine konkreten Summen bekannt, aber es werden Gelder für Shows gestrichen.

Zu dem Ergebnis der Verhandlungen des BVG erklärt der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt, Siegfried Borgwardt: „Die CDU-Landtagsfraktion nimmt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit Respekt zur Kenntnis. Wir haben in diesem Eilverfahren das Ziel erreicht, dass das Bundesverfassungsgericht unsere Bedenken in einem Hauptsacheverfahren prüfen will – schließlich haben weder ARD, ZDF oder Deutschlandradio unsere Argumente wirklich ernst genommen. Dieses gibt nunmehr dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit, die in unserem Fraktionsbeschluss vom 1. Dezember 2020 aufgeworfenen Fragen und Probleme im Hauptsacheverfahren mit der gebotenen Sorgfalt und Umsicht zu prüfen und zu bewerten“ (23.12.2020).

Markus Kurze, Parlamentarischer Geschäftsführer und medienpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion ergänzt: „Die Entscheidung zeigt, dass wir mit unseren Argumenten nicht völlig falsch gelegen haben. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie können wir der Bevölkerung und den vielen in Notlage befindlichen Unternehmen keine Gebührenerhöhung abverlangen. Wir erwarten nunmehr von allen Beteiligten des Rechtsstreits, dass sie in der Zeit bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren ihrer Verantwortung nachkommen und die öffentliche Diskussion über den Auftrag und die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter im Januar 2021 ernsthaft beginnen.“

Die CDU von Sachsen-Anhalt hatte ihre ablehnende Haltung gegen die Erhöhung des Beitrags unter anderem damit begründet, dass die östlichen Länder zu wenige Gemeinschaftseinrichtungen beheimaten und auch die Programme zu sehr nach Westen ausgerichtet seien. Dagegen verweisen ARD und ZDF darauf, dass die Entscheidung zur Anpassung des Beitrages nicht an inhaltliche und medienpolitische Fragen gekoppelt werden darf. Ministerpräsident Reiner Haseloff hatte am Dienstag in einem „Welt“-Interview noch deutlich ausgeführt: „ARD und ZDF sind in vielen Sparten Westfernsehen geblieben“. Zudem kritisierte der CDU-Politiker das Auftreten des ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow im Streit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags.

In der Tat, die Intendanten und speziell der ARD-Vorsitzende Buhrow, hatten den Eindruck erweckt, dass sie und die Sendeanstalten „Herren“ des Verfahrens seien und über den freigewählten rund 1.800 Landtags-Abgeordneten stehen würden. Denn, so WDR-Intendant Buhrow, die Prüfungskommission KEF habe ja die neue Höhe der Gebühr festgestellt und auch festgelegt. Somit können die Landtage nur noch dieses Ergebnis „abnicken“. Damit offenbart der ARD-Chef ein doch merkwürdiges Demokratie-Verständnis.


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