top of page

ARD und ZDF fahren schwere Geschütze auf


Ulrich Wilhelm – Foto BR


Ulrich Wilhelm droht wegen Rundfunkbeitrag mit Verfassungsklage in Karlsruhe 

Das Jahr neigt sich dem Ende und die Intendanten Wilhelm (ARD) und Bellut (ZDF) bringen in einer konzertierten Aktion ihre schweren Geschütze gegen die Politiker in Stellung. „Steter Tropfen höhlt den Stein, nach dieser Devise kämpfen die Intendanten von ARD und ZDF für die Erhöhung des Rundfunkbeitrags nach 2020“ (Tagesspiegel 27.12.2018). Seit Jahren bearbeiten die Intendanten die 16 Landesregierungen mit unzähligen Zahlen und Daten, Vorwürfen und Drohungen. Gebt uns zu den über 9 Milliarden Euro zusätzlich noch 3 Milliarden Euro für vier Jahre (Wilhelm) oder wir müssen (leider) das Rundfunkangebot (deutlich) reduzieren. Und wenn der Rundfunkbeitrag ab 2021 nicht erhöht werden sollte, folgt als Ultima Ratio eine Verfassungsklage: ARD-Chef Ulrich Wilhelm (auch BR-Intendant) droht den Bundesländern mit dem Gang nach Karlsruhe, sollten sie gegen höhere Rundfunkbeiträge votieren. Falls nicht alle Landtage zustimmen sollten, „bliebe als Ultima Ratio die Klärung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe“, sagte der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in München. „Dies würde freilich eine jahrelange Hängepartie bedeuten. In dieser Zeit könnte nicht ordnungsgemäß gearbeitet werden.“

Die Bundesländer entscheiden, ob und um wie viel der Rundfunkbeitrag ab 2020 steigt. Der Beitrag ist bis 2020 auf 17,50 Euro pro Haushalt im Monat festgelegt. Im Frühjahr 2019 müssen die öffentlich-rechtlichen Anstalten der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF) mitteilen, wie viel Geld sie für 2021 bis 2024 brauchen. Die KEF macht dann einen Vorschlag für die Beitragshöhe. Die anschließende Entscheidung der Ministerpräsidenten muss von allen 16 Landtagen ratifiziert werden. Lehnt nur ein Landtag eine Erhöhung ab, bleibt es bei 17,50 Euro. Und insbesondere die östlichen Ministerpräsidenten sind gegen eine Beitragserhöhung.

Als Alternative zur Beitragserhöhung ist ein Indexmodell im Gespräch, wonach der Rundfunkbeitrag stets entsprechend der Inflationsrate steigt. Dies könnte „am Ende ein gangbarer Weg sein“,so Wilhelm. Der Index decke allerdings nicht die tatsächlichen Kostensteigerungen ab, sondern wäre für ARD und ZDF „eine stetige Schrumpfung“. Denn: „Die rundfunkspezifische Teuerung, die beispielsweise die Entwicklung der Kosten für Musik-, Film- oder Sportrechte berücksichtigt, lag zwischen 2009 und 2017 bei rund 17 Prozent, während die Verbraucherpreise in diesem Zeitraum um 10,6 Prozent gestiegen sind.“ Aus einigen Ländern wurde in den vergangenen Monaten die Forderung erhoben, den Rundfunkbeitrag stabil zu halten, also nicht zu erhöhen. Dann müsse deutlich im Programm gekürzt werden, sagte Wilhelm. Was nicht möglich sei: ganze Bereiche wie Unterhaltung und Sport aus dem Programmauftrag zu nehmen. „Das wäre so aus unserer Sicht mit der Rundfunkfreiheit nicht vereinbar. Zumal es auch keine trennscharfe Abgrenzung der Genres gibt.“ TV-Serien wie „Charité“ und „Babylon Berlin“ seien Unterhaltung, aber auch Bildung und Information. Der Bereich Sport bestehe nicht nur aus Spitzenfußball, sondern etwa auch aus Paralympics, jungen Sportarten und der Breite des Wintersports.

Sein ZDF-Kollege Thomas Bellut spricht sich ebenfalls für eine Erhöhung der Mittel für ARD, ZDF und Deutschlandradio aus, „in moderatem Maße“. Ob es künftig ein Index-Modell geben wird, sei eine Entscheidung der Länder, sagte er der dpa. „Wir sind offen und gesprächsbereit. Klar ist aber, ohne eine Beitragsanpassung ist das Qualitätsniveau auf keinen Fall zu halten.“ Neu ist der Basiswert für die Berechnung der Rundfunkgebühr, den Bellut jetzt in die Debatte gebracht hat und der deutlich über den 17,50 Euro liegt, die derzeit pro Haushalt monatlich erhoben werden. Der tatsächliche Basiswert liege indes bei 18,35 Euro, rechnete der ZDF-Chef vor. „Weil wir aktuell die Rücklage einsetzen dürfen, die nach der Umstellung auf den Rundfunkbeitrag entstanden war, beträgt der Beitrag nach unserer Berechnung real bereits 18,35 Euro“, sagte Bellut. „Das ist also der wirkliche Basiswert. Alles darunter wäre eine klare Kürzung, die nur durch große Einsparungen im Programm erbracht werden könnte.“

In die gleiche Kerbe schlägt Ulrich Wilhelm von der ARD. Der aktuelle Rundfunkbeitrag entspricht nicht mehr dem realen Aufwand: „Denn wir verwenden heute zusätzlich die Gelder der Beitragsrücklage, die zwischen 2013 und 2016 angespart wurde. Rechnet man diese angesparten Mittel auf die Höhe des monatlichen Beitrags um, dann liegen wir heute schon real bei 18,35 Euro.“ Diese Rücklage werde bis 2020 aufgebraucht sein. In den ersten drei Jahren nach der Umstellung der Rundfunkgebühr im Jahr 2013 von den gerätebasierten GEZ-Zahlungen zu den jetzt geltenden wohnungsabhängigen Gebühren sind nach einem Bericht der KEF zwischenzeitlich fast 1,6 Milliarden Euro Mehreinnahmen aufgelaufen. Die Sendeanstalten erhalten die Mittel entsprechend dem von der KEF zugewiesenem Bedarf, wobei die Mittel von 2013 bis 2016 zunächst auf Sperrkonten gelagert wurden.

Erst seit Beginn der laufenden Gebührenperiode werden die Rücklagen in den gültigen Bedarfsplan eingerechnet. Wird aber die von ZDF-Intendant Bellut genannte Summe von 18,35 Euro berücksichtigt, hat es bereits jetzt eine Defacto-Anpassung der Gebühren gegeben. Während ein Teil der Bundesländer (darunter Bayern und Baden-Württemberg) zum Wilhelm-Vorschlag für einen Inflationsausgleich tendieren, votieren andere Länder (aus dem Osten) wegen der hohen Rücklagen hingegen für Gebührenstabilität über 2020 hinaus. Der Bellut-Vorschlag könnte zwischen den Lagern eine zumindest temporäre Brücke schlagen. Wird sein Basiswert akzeptiert, könnte der Rundfunkbeitrag angehoben werden, ohne sich auf die schwer abzuschätzende Entwicklung der Inflationsrate einzulassen. Im Endergebnis stünden den Sendern auch in der neuen Gebührenperiode mehr Geld zur Verfügung.

In jedem Fall haben der ARD-Vorsitzende Wilhelm und der ZDF-Intendant Bellut die Gebührendiskussion kurz vor Jahresende noch einmal befeuert. Denn Ende Januar haben die Ministerpräsidenten die Sender-Chefs zum Gespräch gebeten. Die Politiker erwarten Auskunft darüber, wie ARD und ZDF 3,6 Milliarden Euro durch grundsätzliche Reformen an Betrieb und Programm-Struktur einsparen wollen. Diesen Auftrag hat der ÖRR bereits 2016 von den Landesregierungen erhalten. Doch die Sendeanstalten verweigern sich und gehen zum Gegenangriff über. Und Millionen von Bürger und Rundfunkteilnehmer, aber auch Medienexperten und Politiker sind verärgert und genervt. Mit dieser Strategie von ARD und ZDF, wird der ÖRR auf Dauer nur geschwächt werden.

bottom of page