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Hans-Jürgen Kupka

ARD-Reform ohne Einsparungen


Die 9 ARD Intendantinnen und Intendanten in Köln | Foto WDR/Annika Fußwinkel


Die ARD will Geld sparen – aber eigentlich doch nicht. Genau das haben die Intendantinnen und Intendanten der ARD auf ihrer letzten Jahres-Sitzung in Köln durch konkrete Reform-schritte beschlossen. Diese sollen Qualität und regionale Vielfalt im Programm sichern und gleichzeitig mehr Wirtschaftlichkeit in der Produktion ermöglichen. Durch diese Maßnahmen in Hörfunk und Fernsehen werden 250 Mio Euro aber (nur) umgeschichtet und nicht einge-spart. Denn diese Summe wird für neue Projekte verwendet, also ausgegeben. Die Medien-politik wird davon nicht begeistert sein, hatte sie doch reale Einsparungen erwartet, die sich in der künftigen Höhe des Rundfunkbeitrags niederschlägt. Mittlerweile haben sich 7 Minister-präsidenten gegen eine Beitragserhöhung ausgesprochen: Wir können den Bürgern in diesen schwierigen Zeiten keine zusätzlichen Belastungen zumuten, der Rundfunkbeitrag muss stabil bleiben. Derzeit prüft die Finanzkommission KEF die Finanzen von ARD, ZDF und DLF und im Gespräch ist eine Erhöhung von (monatlich) 18,36 auf 18,94 Euro. Binnen 4 Jahren hätte der nimmersatte ÖRR so zusätzlich 1 Mrd Euro mehr in den Kassen (dort sind schon jährlich rd. 11,3 Mrd Euro vorhanden).


Die ARD teilt nun mit, im Hörfunk der ARD und in den linearen TV-Programmen der ARD Medienhäuser, den sogenannten "Dritten Programmen", werden durch gemeinsame Pro-grammstrecken und Formate ab 2024 Ressourcen freigemacht. Diese Mittel werden benötigt um "attraktive digitale und regionale Streaming-Formate für die ARD-Mediathek für ein jünge-res Publikum zu produzieren". Täglich erreichen die 9 (ARD-) Sendeanstalten mit ihren regio-nal ausgerichteten TV-Programmen ("Dritte Programme"), mehr als 22 Mio. Menschen in Deutschland – davon sind aber nur 4 Mio jünger als 50 Jahre (jeweils rd. 35 Mio deut.-sprach. Bürger ab 14 Jahre unter/über 50 Jahren). Wesentlich für den Erfolg dieser Programme ist eine klare regionale Ausrichtung, vor allem bei aktuellen Informationssendungen, aber auch bei Kultur, Sport und Unterhaltung.


Unter Wahrung dieser regionalen Vielfalt haben die Intendantinnen und Intendanten der ARD jetzt die Grundlage für weitreichende Kooperationen in den Dritten Programmen gelegt. In Programmbereichen, in denen Regionalität eine weniger wichtige Rolle spielt, wird künftig deutlich stärker zusammengearbeitet, ohne die Profile der Dritten zu schwächen. Daher gibt es kein zeitlich starres Mantelprogramm, sondern Pools gemeinsam produzierter Formate, die von den einzelnen Dritten flexibel und passend zu ihrem eigenen Schema eingesetzt werden können. Die Übernahme der Sendungen ist also freiwillig. Konkret werden etwa gemeinsame Reise- und Kulinar-Formate entwickelt und die schon bestehenden Kooperationen bei Ver-braucher- und Gesundheitssendungen sowie bei Dokumentationen intensiviert. Sofern es in einem Themenfeld ein Kompetenzcenter gibt, wie bei den Themen "Verbraucher" oder "Gesundheit", wird dieses die Herstellung der von allen nutzbaren Formate organisieren.


Durch den ARD-Beschluss werden im Gegenzug die Zahl der Neu- und hauseigenen Produk-tionen spürbar reduziert und Mittel ins Digitale umgeschichtet. Darüber hinaus testen mehrere Sendeanstalten im kommenden Jahr eine gemeinsame Nachmittagsstrecke sowie eine be-grenzte Zahl gemeinsamer Talk-Shows am späten Freitagabend. Geplant ist ein neues bund-esweites Format mit 4 bis 5 Sendungen im Jahr. Dafür soll die Anzahl der Talk-Shows der Sendeanstalten reduziert werden. Erste programmliche Veränderungen werden bereits im kommenden Jahr im Programm sichtbar. Die weiteren folgen 2025. Die Mittel, die durch die Kooperationen und gemeinsamen Sendungen in den Dritten freigesetzt werden, werden eingesetzt, um etwa attraktive digitale und regionale Streaming-Formate für die ARD Media-thek für ein jüngeres Publikum zu produzieren.


Bei den Hörfunk-Programmen plant die ARD etliche Veränderungen, weil sich das Nutzungs-verhalten verändert hat und insbesondere junge Hörer immer seltener das Radio einschalten. Ende April 2024 beginnen die Info-Wellen des ARD-Hörfunk eine neue Ära vertiefter Zusam-menarbeit. Regionale Inhalte und regional geprägte Perspektiven auf überregionale Themen prägen das gesamte Tagesprogramm. Daneben soll durch gemeinsame Programmanteile, die von allen ARD Medienhäusern (Landesrundfunkanstalten/LRA) übernommen werden können, mehr Effizienz in der Programmherstellung erreicht werden. So wird es künftig ab 20.00 Uhr ein kooperiertes Abendprogramm für die Infowellen mit wechselnden thematischen Schwer-punkten geben. Geplant sind in der Woche 2 Bürger-Dialog- und 4 Info-Abende und am Wochenende ein Sport-Abend. Dabei werden die Sendungen zum größten Teil vom NDR pro-duziert, an wechselnden Abenden auch von rbb und BR. Die LRA können sich zu bestimmten Zeiten aus diesem übergreifenden Programm für regionale Aktualitäten oder eigene Lang-formte aus- und wieder einklinken. Die schon vor Jahren eingeführte ARD Infonacht kommt weiterhin vom NDR.


Ziel der ARD-Reform ist mehr Wirtschaftlichkeit durch noch mehr Kooperation und Arbeits-teilung. In den Hörfunkwellen, die vor allem klassische Musik senden, geschieht das ebenfalls in den Abendsendungen zwischen 20 und 24 Uhr. Ab dem zweiten Quartal 2024 wird es einen wöchentlichen gemeinsamen Opernabend geben, drei Monate später zusätzlich 2 ge-meinsame Konzertabende. Daneben wird es enge Kooperationen zwischen den Kulturwellen an zwei weiteren Abenden geben. Mehr Zusammenarbeit soll es auch bei den Pop-Wellen geben. Die Intendantinnen und Intendanten haben vereinbart, dass SWR3 in Baden-Baden von Montag bis Freitag eine gemeinsame Abendstrecke von 21 bis 24 Uhr produziert. Sechs Pop-Wellen der ARD haben bereits angekündigt, dieses Abendprogramm zu übernehmen. Wie bei den Infowellen sind auch hier flexible Aus- und Wiedereinstiegspunkte für regionale Informationen oder individuelle Programmangebote der LRA vorgesehen. Auf Wunsch können einzelne Sender das gemeinsame Programm auch schon ab 19 Uhr übernehmen. An Wochenenden und Feiertagen soll es ebenfalls gemeinsame Sendestrecken geben, die von SWR3 produziert werden. Auch die ARD Popnacht kommt weiterhin von SWR3. Nach dem Grundsatzbeschluss der Intendantinnen und Intendanten wird nun die konkrete Umsetzung ausgearbeitet. Als Sendebeginn ist Januar 2025 vorgesehen. Auch bei den Schlager-Radios soll es zu Kooperationen kommen.


Das Hörspiel ist eines der ältesten Radio-Genres und gehört klar zum Markenkern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zugleich ist es ein wichtiger Baustein einer erfolgreichen digitalen Transformation: Vor allem Hörspiele tragen zum Boom von Audioformaten im Netz bei; seien es künstlerisch anspruchsvolle Einzelstücke, Produktionen nach Literaturvorlagen oder seit einigen Jahren Fiction-Podcasts für jüngere Zielgruppen. In der ARD Audiothek ist beispielsweise "Kein Mucks" die mit Abstand erfolgreichste Hörspiel-Reihe. Die Retro-Krimi-Klassiker der ARD bei "Kein Mucks" wurden in diesem Jahr bislang 3,7 Mio. Mal angehört, ge-folgt vom Radio Tatort. Das Hörspiel soll in Zukunft vor allem auf die digitale Verbreitung in der ARD Audiothek fokussiert werden. Für Nutzerinnen und Nutzer bedeutet das: Hören, wann immer man möchte. Im Verbund einer ARD-weiten Gemeinschaftsredaktion Hörspiel koordinieren ab Anfang 2024 die Hörspielredaktionen der ARD Medienhäuser die Produk-tionen und deren Verbreitung. Ziel ist es unter anderem, Stoffe passgenau für unterschied-liche Zielgruppen und Ausspielwege zu entwickeln und gemeinsam zu produzieren. Dabei wird auf die bestehende Vielfalt der einzelnen Sendeanstalten und ihre unterschiedlichen Stärken gesetzt.


Insgesamt will die ARD so Millionen von Euro einsparen – die aber, wie schon gesagt, wieder in neue Projekte investiert werden. Das letzte Wort zu den Finanzen hat im Januar 2024 die KEF - es sei denn, die Landespolitiker setzen sich diesmal durch und verhindern eine (unbe-liebte) Gebührenerhöhung für den ÖRR.

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