Sommer-Pressekonferenz von A. Merkel am 20.7.18
„Die Frage, wie wir in Europa vorgehen, ob wir das einseitig machen, ob wir das unabgestimmt machen, ob wir das zu Lasten Dritter machen, ja oder nein, ist für mich eine zentrale Frage meiner Politik“, sagte Merkel. „Diese Pressekonferenz findet am 20. Juli statt. Der 20. Juli ist nicht irgendein Tag in der deutschen Geschichte. Viele Menschen haben ihr Leben für Europa, für ein gemeinsames Europa gelassen. Das sehe ich schon als einen wichtigen Auftrag an, der im Übrigen auch schon in der Präambel des Grundgesetzes niedergelegt ist.“ Der 20. Juli als Begründung für ihre Unbeugsamkeit in der Flüchtlingsfrage: Das ist eine verblüffende Konstruktion. Sie sagt viel über die Kanzlerin im 13. Jahr ihrer Regentschaft. Man könnte sogar zur Meinung gelangen, dass sie nahezu alles sagt.Schon auf der historischen Ebene ist die Aussage der Kanzlerin waghalsig. Die Männer, die Hitler aus dem Weg räumen wollten, hatten nicht die Rettung eines vereinten Europas vor. All das stellte die Kanzlerin auf den Kopf. Aber es ging ihr erkennbar auch nicht um historische Wahrheiten, es ging darum, ihre Politik in eine Traditionslinie zu stellen, die in diesem Fall von einem Sommertag in einem Befehlsstand in Ostpreußen bis in die deutsche Regierungszentrale im Juli 2018 reicht. Wenn man Angela Merkel richtig versteht, dann sieht sie sich als eine Art Erbfolgerin des Widerstands gegen Hitler, nicht anders lässt sich das Wort „Auftrag“ deuten, das sie im Zusammenhang mit dem 20. Juli benutzte. Merkels Amt führt zu einer Blickverengung, sie fühlt sich allen überlegen. Sie hat die Partei in die Mitte geführt und für viele Menschen attraktiv gemacht. Sie hat die SPD demoralisiert und marginalisiert, sodass auf längere Sicht niemand gegen ihre Partei wird regieren können. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass erst ihre Politik der AfD den kometenhaften Aufstieg ermöglicht hat. Sie weiß, dass ein Teil des Volkes mit ihr durch ist – aber sie ist auch durch mit diesem. Das ist die Arroganz, die sie sich leistet. Die andere Folge ihrer Halsstarrigkeit ist der Absturz der CSU. Sie hätte der Schwesterpartei bei ihrem Wahlkampf unter die Arme greifen können. Stattdessen hat sie es vorgezogen, die Aufrührer aus Bayern zu einem Kotau zu zwingen, der die Partei nach allem, was man weiß, die absolute Mehrheit kosten wird, vielleicht sogar die 40 Prozent. Kein deutscher Kanzler hat so ein Desinteresse für die Nöte des Unionspartners an den Tag gelegt wie Merkel. Aber so ist es, wenn man nur noch in Kategorien von Gut und Böse denkt. Wer sich als Nachlassverwalterin des deutschen Widerstands sieht, darf keine Kompromisse machen. Jeder, der mit dem Bösen paktiert, macht sich schuldig. Quelle: Spiegel Online – Jan Fleichhauer – Kolumne v. 26.7.18 (in Auszügen)
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