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Frontal-Angriff von Johnson auf die BBC

Hans-Jürgen Kupka

© BBC News UK


Der neue Premierminister Boris Johnson startet einen Frontal-Angriff auf die BBC und will laut einem Bericht der englischen Tageszeitung „Sunday Times“ die ör Rundfunkgesellschaft BBC drastisch umbauen. Die Zeitung beruft sich auf ein internes Papier. Demnach soll die allgemeine Rundfunkgebühr (Licence Fee) für die BBC abgeschafft und durch ein Abomodell ersetzt werden. Dabei war Johnson Korrespondent in Brüssel, Kolumnist und Herausgeber eines politischen Magazins, doch mittlerweile steht er als Premierminister mit vielen Medien auf Kriegsfuß. Demnach sieht die Planung der Regierung vor, die BBC auf einen Rumpfbestand, der über Abonnements und Werbung finanziert wird, zu reduzieren und den Sender wieder stärker auf seine eigentliche Kernaufgabe, den World Service auszurichten. Die vielen Radio- und Fernsehsender, die die BBC zwischenzeitlich aufgebaut hat, sollen privatisiert und verkauft werden, das Online-Angebot der BBC im Ausmaß deutlich reduziert werden. Aktuell werden im Hörfunkbereich 11 Programme angeboten – wobei BBC-Radio 8 in insgesamt 43 lokale bzw. regionale Sendegebiete aufgeteilt wird. Ebenso soll die Zahl der Fernsehkanäle verringert werden. Die BBC hat im Fernsehen die Angebote BBC1 (populäres Hauptprogramm), BBC2 (Schwerpunkt anspruchsvollere Programme), BBC3 (für ein junges Publikum Kultur, Drama, Humor – seit 2015 nur noch als Onlinesender betrieben) und BBC4 (Kultur und Bildung) sendet ab 20 Uhr (MEZ). Davor wird die Frequenz von CBeeBies für das Kinderprogramm genutzt. Weitere Programme sind CBBC (für Schüler), BBC News (24 Std.), BBC Alba (gälisches Programm für Schottland oft mit englischen Untertiteln) und BBC Parliament. Dazu kommen weltweite Angebote wie BBC-World und Programme für bestimmte Welt-Regionen – die in Nordamerika aber kostenpflichtig sind.


Die BBC hat noch eine Frist bis zum 31. Dezember 2027, denn bis dahin gilt die derzeitige BBC Charter, die 2017 erneuert wurde und eine Laufzeit von 10 Jahren hat. Von der Charter nicht umfasst ist indes die Frage, ob die Zahlung der Licence Fee (ca. 180 Euro) weiterhin zu einer Verpflichtung für alle Briten gemacht werden soll oder nicht. Die Entkriminalisierung derer, die sich weigern, eine Licence Fee zu zahlen und dennoch BBC Programme ansehen, steht ebenso auf der Agenda. Anhängig sind rund 130.000 Verfahren vor Gericht und vier Dauer-Nichtzahler sitzen im Gefängnis. Rentner ab 75 Jahren sind aktuell von der Gebühr befreit – unabhängig von der Einkommenshöhe.


2027 könnten die Änderungen in Kraft treten. Erst kürzlich hatte die BBC einen Abbau von 450 ihrer weltweit rund 24.000 Stellen verkündet. Bereits im Wahlkampf hatte Johnson angekündigt, die Gebührenfinanzierung der BBC im Falle eines Wahlsiegs überprüfen zu wollen. Damals sagte er: „Wie lange kann man ein System rechtfertigen, bei dem jeder, der einen Fernseher hat, eine bestimmte Reihe von Fernseh- und Radiosendern bezahlen muss – das ist die Frage.“


Nicht zum ersten Mal hat sich Boris Johnson mit den Medien auf der Insel anlegt. Erst Anfang Februar hatte die Regierung den Zorn der britischen Politik-Journalisten erregt, als sie Reporter kritischer Medien wie dem „Mirror“ oder dem „Independent“ von einem Hintergrundgespräch ausschlossen. Als Reaktion darauf boykottierten auch die zugelassenen Journalisten anderer Medien wie der „Financial Times“ oder des „Guardian“ das Gespräch. Damit übernimmt Johnson die Methoden vom US-Präsidenten Donald Trump: Wer kritisch über ihn berichtet, wird ignoriert, ausgeladen und eingeschüchtert.


Dennoch verneint Johnsons Team jeden Versuch der Einflussnahme auf die Presse. Aber die Strategie ist eindeutig und die Vorfälle häufen sich. So hat der Premierminister Johnson nach Informationen von Redakteuren seinen Ministern Auftrittsverbote für bestimmte Fernseh- und Radioprogramme erteilt. Darunter auch die anspruchsvolle und populäre Früh-Sendung „Today“ auf BBC Radio 4, der Regierungsinsider schon mal eine einseitige Anti-Brexit-Berichterstattung vorwerfen. Oder auch der über Werbung finanzierte ör TV-Sender Channel 4 – gegründet 1982 von Premier Thatcher gegen die „rote Festung BBC“. Weil der Sender es gewagt hatte, Johnson nach seinem Nicht-Erscheinen bei einer Debatte zum Klimawandel durch einen schmelzenden Eisblock zu ersetzen. Zudem weigerte sich Johnson während des Wahlkampfs Ende vergangenen Jahres als einziger Parteichef ein Interview mit dem für seinen aggressiven Fragestil bekannten Andrew Neil von der BBC ein Gespräch. Und hier geben Politiker selten eine gute Figur ab.


Immer häufiger umgeht Johnson stattdessen die klassischen Medien – wie es auch schon in Deutschland bei SPD und CDU vorgekommen ist: So hält der Premier in Anlehnung an die Fragestunden im Parlament sogenannte „People’s PMQs“ (Fragen des Volks an den Premierminister) ab, bei denen von seinem Team ausgewählte Bürger Fragen stellen dürfen. Die Antworten veröffentlicht Johnson auf Facebook Auch seine Ansprache und die Feier anlässlich des Brexits Ende Januar ließ Johnson nicht traditionsgemäß von unabhängigen Kameraleuten aufzeichnen. Stattdessen filmte und fotografierte sein eigenes Kommunikationsteam und stellte den Medien das vorproduzierte Material später zur Verfügung. Damit bestimmen die Politiker selber was veröffentlicht werden soll und was nicht. Sie wollen die Deutungshoheit behalten. Und es wird noch dramatischer: Erst vor wenigen Tagen verkündete das Kommunikationsteam, ein „Netzwerk von Spionen“ in den Restaurants rund um das Londoner Regierungsviertel in Westminster aufgebaut zu haben – um nachzuvollziehen, welche Regierungsmitarbeiter mit welchen Journalisten Essen gehen.

Johnsons ständige Kritik an der angeblich einseitigen Berichterstattung vieler Medien angesichts seiner eigenen Vergangenheit besonders fragwürdig. So verlor er seinen ersten Job bei der „Times“, weil er ein Zitat gefälscht hatte. Auch bei seinen europakritischen Artikeln aus Brüssel für den „Telegraph“ sowie den Kolumnen für den „Spectator“ und den „Telegraph“ nahm es Johnson mit der Wahrheit nicht immer so genau. Der Journalist Johnson verteidigte sich gegen entsprechende Vorwürfe stets mit Verweis auf die Pressefreiheit – ein Privileg, das der Premierminister Johnson seinen Ex-Kollegen anscheinend nicht mehr zugestehen will.

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