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ARD und Zukunft?



Die ARD wagt einen Sprung in die nahe Zukunft und will ihren Umbau hin zu einem Inhalte-Netzwert beschleunigen, das „in den Regionen verwurzelt ist – nahbar, innovativ und digital“. Um Kraft für diese neue ARD zu gewinnen, wird auf allen Ebenen die enge Zusammenarbeit der Landesrundfunkanstalten vorangetrieben. „Im Maschinenraum der ARD wird an der Zukunft des Journalismus gearbeitet. Wir schaffen die konkreten Voraussetzungen für die neue ARD, die ihre Kräfte mit Blick auf die Bedürfnisse der Menschen bündelt“. Künftig soll jeder Landessender der ARD-Gemeinschaft das bieten, was er am besten kann und so für journalistische Inhalte mit noch mehr Tiefe sorgen. Der seit Jahresbeginn 2023 amtierende ARD-Vorsitzende Kai Gniffke (Intendant vom SWR) erläuterte auf einer Video-PK am 9.2.2023 nach der Sitzung der Intendantinnen und Intendanten in Hannover, künftig werde nicht mehr jeder (ARD-) Sender jedes Format machen können: „Wir brauchen nicht zehn Gesundheitsmagazine, denn Arthrose ist in Bautzen genauso unangenehm wie in Bitburg.“

Wenn die ARD Vielfalt sichern und dabei internationale Klasse bieten wolle, müsse sie die Kräfte bündeln. „Da ist natürlich viel Mut erforderlich.“ Im Laufe eines Jahres werden die Konturen dieser neuen ARD für die Menschen in Deutschland sichtbar werden.“, so der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke. Die ARD stehe am Anfang des größten Veränderungsprozesses in der Geschichte des Senderverbunds, so die Intendantinnen und Intendanten in Hannover. Kooperation wird der Regelfall, um die dadurch freigesetzten Kräfte in journalistische Exzellenz und hohe Recherchetiefe zu stecken. Für den digitalen Umbau der ARD wurden bereits mehr als 150 Millionen Euro pro Jahr aus dem linearen Programm ins Digitale geschoben. Um den Auftrag auch im Digitalen noch besser erfüllen zu können, schichtet die ARD weitere 250 Millionen Euro im Zeitraum 2025 bis 2028 um, mit denen attraktive Inhalte für Streaming-Fans entwickelt werden sollen. Das sind im Schnitt mehr als 200 Mio. Euro pro Jahr. Damit stärkt die ARD zugleich die Möglichkeiten für Dialog und Teilhabe des Publikums.

Eine Steuerungsgruppe aus elf ARD-internen Fachleuten wird sich ab Ende Februar um die Umsetzung der Reformvorhaben kümmern. Es wird crossmediale journalistische Kompetenzzentren geben, zunächst in den vier Bereichen Hörspiel, Gesundheit, Klima und Verbraucher. Bis Juni sollen erste Ergebnisse vorliegen. Weitere Themenfelder werden noch im Lauf des Jahres 2023 definiert. Erarbeitet werden unter anderem gemeinsame Pool-Lösungen für die Radio-Angebot und die regionalen TV-Programme. Daneben wird das Portfolio der Social Media Angebot überprüft und nach klaren Erfolgskriterien bewertet, welche der über 500 Accounts den Interessen der Nutzerinnen und Nutzern entsprechen und welche eingestellt werden können. Auch im Bereich von Verwaltung und Technik wird die ARD stärker zusammenarbeiten (müssen), denn die Finanzen sind bei den fünf kleinen und mittelgroßen ör Anstalten mehr als knapp.

Die ARD betreibt den Ausbau von „Tagesschau24“ hin zu einem Nachrichtensender voran. Angekündigt wurde der Schritt vor einem Jahr und seither wurde die Fläche mit aktueller Berichterstattung vor allem tagsüber erheblich ausgebaut. Nun wird auch der spätere Abend aktualisiert, wie NDR-Intendant Joachim Knuth, in dessen Verantwortungsbereich auch ARD-aktuell fällt, in Hannover mitteilte. Konkret geht es um die Zeit zwischen 22:50 Uhr und 0:30 Uhr (nach dem Ende der "Tagesthemen"), bis zur Nachtausgabe der "Tagesschau" im ARD-Programm. Ab April soll das neue Angebot gesendet werden – wie es konkret aussehen soll, ist noch nicht bekannt, weil ARD-aktuell sich derzeit noch in der Planungsphase befinde. „Tagesschau24“ verzeichnete im vergangenen Jahr Marktanteile von bis zu 0,7 Prozent beim Gesamtpublikum, im Januar wurden aber nur 0,3 Prozent Marktanteil erreicht (die Werte für „ntv“ lagen bei 1,1 Prozent, „Welt“ kam wie „Phoenix“ kamen auf 0,8 Prozent). Im Gegenzug könnte zwar die aktuelle Stunde (23 bis 24 Uhr) bei „Phoenix“ wegen geringer Zuschauerzahlen eingestellt werden, aber daran wird (derzeit) bei ARD und ZDF nicht gedacht. Damit verliert der ÖRR aber an Glaubwürdigkeit, wollte er doch auch Sparrunden realisieren. Die Politik wird es aufmerksam beobachten.

Der ARD-Vorsitzende Gniffke würdigte die Arbeit der RBB-Übergangsintendantin Katrin Vernau - sie kommt vom WDR, wird aber im Herbst nach Köln zurückkehren. Die sie unter sehr schwierigen Bedingungen eine „Herkulesaufgabe“ in Berlin bewältigen müsse, habe es in der Intendantenrunde „großen Respekt“ dafür gegeben. „Wir überlegen nun, wie wir dem RBB Brücken bauen können, damit wir dem Sender Aufgaben abnehmen, die er derzeit noch hat“, sagte Kai Gniffke. Dafür müssten noch die geeigneten Wege gefunden werden. Der RBB muss binnen zwei Jahre 41 Millionen Euro einsparen und will dafür neben der Reduzierung eigener Programmangebote auch die Produktion und Redaktion des „Mittagsmagazins“ (Kosten 21 Mio. Euro) an eine andere Landesrundfunkanstalt abgeben.

Laut einer Studie der ARD Programmdirektion haben erstmals seit zwei Jahrzehnten Deutsche weniger als 200 Minuten pro Tag mit klassischem, linearen Fernsehen verbracht. Zeitgleich wächst die Nachfrage nach Inhalten der ARD Mediathek: täglich nutzen sie rund 2,1 Millionen Menschen, die damit das erfolgreichste deutsche Streaming-Angebot ist. Dabei soll die Bedienung der Mediathek noch einmal deutlich komfortabler werden, betonte ARD-Programmdirektorin Christine Strobl. Bereits im zweiten Halbjahr 2023 wird es die Möglichkeit geben, dass Nutzerinnen und Nutzer die Mediathek ihren Vorlieben entsprechend personalisieren können. Zudem soll die Mediathek auch auf regionale Vorlieben der Nutzer eingehen. Das Mediathek-Team greife so das Bedürfnis der Menschen nach Orientierung, Heimat und Geborgenheit auf, so die ARD im Pressetext.

Auf der ARD-Sitzung in Hannover wurde auch das Thema Meinungsvielfalt besprochen. Der NDR-Intendant Joachim Knuth kündigte auf der PK an, dass Kommentar und Meinung in den „Tagesthemen“ erhalten blieben. Allerdings soll die „Perspektivenvielfalt“ erweitert werden: Ost/West oder Stadt/Land sollten bei der Auswahl von Themen und Kommentatoren stärker berücksichtigt werden. Sein Amtskollege Kai Gniffke ist zudem nicht der Meinung, dass konservative Stimmen in der ARD zu kurz kommen würden: „Das halte er für eine Mär – es gibt ein breites Meinungsspektrum im Programm und einen Links-Rechts-Rechenschieber wolle er nicht anlegen“. Allerdings war der ARD-Vorsitzende Gniffke auf Medienveranstaltungen in den letzten Wochen nicht in der Lage, den Namen auch eines konservativen FS-Redakteurs im ARD-Verbund zu nennen. Der ARD bleiben auch noch für die nahe Zukunft viele Aufgaben erhalten – nicht nur die Finanzen: Immer mehr Ministerpräsidenten lehnen eine Gebührenerhöhung für den Zeitraum ab 2025 schon jetzt ab.



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