top of page

Senioren retten ARD und ZDF vor dem Niedergang

Zuschauer ab 50 Jahren sind treu und die Jüngeren sind in der neuen Medienwelt.


Foto HMTG: Hannover Kröpcke-Uhr


Das Fernsehen kann sich nur noch auf Zuschauer verlassen, wenn sie älter als 50 Jahre sind. Die Zahlen von Media Control zur durchschnittlichen Sehdauer pro Tag zeigen hier einen ungebrochenen Trend: In der Altersgruppe zwischen 50 und 64 Jahren ist eine verstärkte Zuwendung über den Zeitraum zwischen 2005 und 2018 festzuhalten – und zwar von 267 auf 297 Minuten. Diese Werte werden von Menschen über 65 Jahren noch deutlich übertroffen. Von 287 Minuten im Jahr 2005 gab es einen Anstieg auf 335 Minuten im Jahr 2018. Das sind je Person fünf Stunden und 35 Minuten Fernsehen.Bei den übrigen Altersgruppen dagegen nimmt der Fernsehkonsum zum Teil deutlich ab. Mit einem Minus von sechs Minuten auf täglich 217 Minuten in der Gruppe zwischen 40 und 49 Jahren ist der Rückgang noch moderat. Bei den 30- bis 39-Jährigen sind es schon 29 Minuten und extremer ist der Rückgang bei den 20- bis 29-Jährigen mit immerhin 52 Minuten. Sehr dramatisch, ja geradezu bedrohlich, sind die Ausmaße bei den Jüngeren. So haben die 14- bis 19-Jährigen ihren täglichen Fernsehkonsum mit einem Rückgang von 109 Minuten (2005) auf 64 Minuten im Jahr 2018 nahezu halbiert haben. Und auch die Kinder im Alter von drei bis 13 Jahren verzeichnen einen Rückgang von 91 auf 64 Minuten im Jahr 2018.


Die wesentlichen Gründe für die Fernsehverweigerung sind in der vermehrten Nutzung für Netflix, Amazon & Co. zu sehen.

Der Branchendienst meedia.de zitiert in diesem Zusammenhang den ViewTime Report des ProSiebenSat1-Vermarkters, dass bei den 14- bis 29-Jährigen Online-Videos via Youtube und Streams das lineare Fernsehen in wenigen Jahren als Nummer eins beim Bewegtbild abgelöst haben dürften. Das lineare Fernsehen wurde 2018 von den jungen Leuten (12 – 19 Jahre) nur noch zu 48 Prozent geschaut – 2017 waren es noch 55 Prozent. Die Werte für Sendungen aus Mediatheken sind 17 Prozent (minus 2%), Sendungen über YouTube ansehen zu 18 Prozent (plus 4%), aufgezeichnete Sendungen ansehen zu 10 Prozent (minus 1%) und Sendungen über das Internet ansehen zu 11 Prozent (plus 1%).


Betrachtet man die Nutzungszahlen der jüngeren mit den Werten der älteren Fernsehzuschauer, dann können die Programmmacher noch einigermaßen zufrieden sein. Die durchschnittliche Sehdauer aller Deutschen ab drei Jahren liegt 2018 bei 217 Minuten pro Tag, das ist im Vergleich mit 2005 ein Plus von sechs Minuten und im Vergleich mit 2015 ein Minus von sechs Minuten. Und das bedeutet, nur das ältere Publikum sorgt für eine gewisse Stabilität. Weil die deutsche Bevölkerung immer älter wird – die Zahl der über 65-Jährigen ist 2018 auf 16,52 Millionen gewachsen (2005 waren es 15,12 Millionen), wird die stetig wachsende Anzahl der Seniorenhaushalte in den nächsten Jahren die Nutzung weiterhin auf einem hohen Niveau stabil halten können. Kleiner geworden ist dagegen die Gruppe der 14- bis 19-Jährigen von 5,19 (2005) auf 4,82 Millionen (2018). Die Potentiale der übrigen Zielgruppen sehen wie folgt aus: Kinder 3-13 7,43 Mio., 20-29-J. 9,26 Mio., 30-39-J. 9,30 Mio., 40-49-J. 10,87 Mio. und 50-65-J. 17,49 Mio. Personen.


Die Auswirkungen für die Zuschauer sind schon seit über 20 Jahren spürbar. Die Hauptprogramme von ARD/ZDF, und insbesondere die Dritten der ARD, wirken in ihren Inhalten und „Programmschemata konservativ bis erstarrt“ und „das spezielle Angebot für Senioren – Gesundheitsmagazine! – wird noch wachsen“ (TAGESSPIeGEL 16.1.2019). ARD und ZDF betreiben seit Jahrzehnten eine Programm-Planungspolitik, dass sich jüngere Zuschauer geradezu ausgesperrt fühlen müssen. Und die Marktanteile zeigen es deutlich.


Beim Publikum zwischen 14 und 49 Jahren bleibt RTL zwar Marktführer, verlor mit einem Minus von 0,8 Marktanteilspunkten auf 11,4 Prozent aber ähnlich stark wie im Gesamtpublikum (von 9,2 auf 8,3 Prozent). Auch hier sind die erreichten 11,4 Prozent der schwächste Wert seit Ende der 1980er-Jahre. ProSieben hielt sich bei 9,5 Prozent (Gesamtpublikum 4,4 Prozent auf ein 27-Jahres-Tief), Sat.1 rutschte auf 8,1 Prozent ab (Gesamtpublikum 6,2 Prozent und ebenfalls auf ein 30-Jahres-Tief). Zulegen konnten leicht „Das Erste“ um 0,4 auf 7 Prozent (beim Gesamtpublikum ging es zwar auch etwas nach oben – allerdings nur um 0,2 Zähler auf 11,5 Prozent, den zweitschlechtesten Marktanteil der ARD-Geschichte) und das ZDF steigerte sich um 0,7 auf 6,8 Prozent (Gesamtpublikum mit 13,9 Prozent gegenüber dem Jahr 2017 um plus 0,9 Punkte auf den besten Jahresmarktanteil seit 1996). Die sieben Dritten kamen auf insgesamt einen Marktanteil von 12,7 Prozent (Gesamtpublikum). Für die Altersgruppen bis 49 Jahren halbieren sich die Werte allerdings deutlich.


Aber, „sind … die Angebote der privaten Sender, durchwegs für ein jüngeres Publikum gemacht, die „Rettung“ für das traditionelle Fernsehen? Erkennbar haben die Sendergruppen ProSiebenSat.1 mit Sat.1 Gold und RTL mit RTL plus ihre Zielgruppenansprache ins Seniorenalter erweitert. Müssen sie auch, die sinkende Gesamtnutzung trifft auch sie, die ihre Programme mit Werbeeinnahmen finanzieren müssen. Sagen immer mehr Zuschauer unter 50 Jahren dem Medium Adieu, dann wird Fernsehen als Werbemedium unattraktiver. Die Folge sind sinkende Werbepreise und bröckelnde Umsätze (TAGESSPIEGEL 16.1.2019).


Festzustellen bleibt daher, dass alle Fernsehanstalten noch keine wirklich überzeugenden Antworten auf das „Demographie-Problem“ für ihre Programme gefunden haben – insbesondere ARD und ZDF. Die Gesellschaft wird immer älter und die öffentlichen Sendeanstalten orientieren sich an den großen Altersgruppen ab 50 Jahren. Das ist zwar sehr bequem für ARD und ZDF, steht aber im Widerspruch zum Sendeauftrag. Danach müssten die öff.-rechtl. Anbieter alle Altersgruppen in ihren Programmen (insbesondere Haupt-Programmen) berücksichtigen. Hier leiden ARD und ZDF unter Ideenlosigkeiten und ihren eigenen Fehlern aus den 70er Jahren (keine jungen Angebote). In puncto höhere Rundfunk-Beiträge sitzen sie damit in ihrer eigenen Falle. Bei den Zuschauern bis 49 Jahre (ca. 45% der Gesamt-Bevölkerung) erreichen ARD und ZDF jeweils nur rd. 7 Prozent (2018). Und so fragen diese Altersgruppen immer häufiger nach Sinn und Gerechtigkeit des Rundfunkbeitrages. Auf ARD und ZDF kommen schwere Zeiten zu und sie brauchen mehr als nur gute Argumente. Sie brauchen einfach nur bessere Programmangebote für alle Altersgruppen in Deutschland.

bottom of page