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Rundfunkgebühr steigt vorläufig auf 18,36 Euro


Foto WDR - Herby Sachs


Das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe hat wieder einmal ein Urteil gesprochen und aus allen öffentlich-rechtlichen Funkhäusern war das laute Aufatmen in allen Wohnungen der Gebührenzahler zu hören. Die Verfassungsbeschwerden von ARD, ZDF und Deutschlandradio wegen der ausgebliebenen Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2021 um 86 Cent waren erfolgreich. Verursacht wurde die Blockade der Erhöhung durch Sachsen-Anhalt, die CDU-geführte Regierung konnte sich mit ihren Koalitionspartnern SPD und Grüne nicht auf einen Monatsbetrag einigen. Damit tritt die Erhöhung des Monatsbeitrags von 17,50 Euro auf 18,36 Euro mit Wirkung vom 20. Juli 2021 in Kraft. Sie gilt aber nur vorläufig - bis ein neuer Medienstaatsvertrag zum Rundfunkbeitrag verabschiedet worden ist. Mit welchem Datum der neue Beitrag eingezogen wird, werden die Sendeanstalten und der „Beitragsservice“ klären.

Das Urteil ist für Ministerpräsident Haseloff und seine Regierung genau betrachtet eine Ohrfeige. Denn die Gründe für die Ablehnung der Erhöhung des Rundfunkbeitrags nennen die Verfassungsrichter nicht überzeugend. Das Land Sachsen-Anhalt habe „durch das Unterlassen seiner Zustimmung zum Ersten Medienstaatsvertrag“, so das BVG, „die Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten" (ÖRR) aus Artikel 5 Grundgesetz verletzt. Negativer kann es nicht formuliert werden. Mit anderen Worten: Hätte die Staatskanzlei in Magdeburg ihre Medien-Hausaufgaben besser gemacht, wäre das Urteil evtl. anders ausgefallen – jedenfalls nicht so negativ.

Nach Ansicht der Bundesrichter war es ein Verfassungsbruch, dass das Land Sachsen-Anhalt dem nötigen Medienänderungsstaatsvertrag nicht zustimmte, weil die Abstimmung wegen einer fehlenden Parlamentsmehrheit abgesagt wurde. Das BVG hat schon in vergangenen Rundfunk-Urteilen seine dbzgl. Meinung deutlich formuliert: Eine Abweichung von der KEF-Empfehlung sei zwar möglich, aber nur in ganz bestimmten Ausnahmegründen. Und: Sie müsste von allen Bundesländern gemeinsam beschlossen werden, eine Blockade durch ein einzelnes Bundesland sei per se verfassungsrechtlich nicht erlaubt. Sachsen-Anhalt hätte also für seine Positionen bei den anderen 15 Ländern Überzeugungsarbeit leisten müssen. Die blieb aber aus – aus welchen Gründen auch immer.

Zudem habe Sachsen-Anhalt verfassungswidrig unterschiedliche Bereiche miteinander vermischt: die Beitragshöhe, die Medienpolitik und Einzelfragen betr. Angebote und Organisation beim ÖRR. Deutlich heißt es im Urteil: "Programmliche und medienpolitische Zwecke scheiden in diesem Zusammenhang jedoch aus", und weiter: "Der Vortrag des Landes Sachsen-Anhalt, dass es sich seit Jahren unter den Ländern vergeblich um eine Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bemüht habe, rechtfertigt die Abweichung von der Feststellung des Finanzbedarfs nicht." Ein möglicher Grund könnte die "angemessene Belastung der Rundfunkteilnehmer" sein, hier hat Sachsen-Anhalt aber keinerlei Belege vorgelegt - und ein schlichter Verweis auf die Corona-Pandemie genügt hier in keinem Fall.

Das BVG macht aber auch deutlich, dass „bei der nächsten Festsetzung des Rundfunkbeitrags die Notwendigkeit der Kompensation zu berücksichtigen“ sei. Hierbei seien der „Mehrbedarf“ der Sendeanstalten durch die Verschiebung von Investitionen, die Verwendung von Reserven und Auswirkungen der Corona-Pandemie zu beachten, allerdings sei auch die „Zumutbarkeit von Beitragserhöhungen für die Bürgerinnen und Bürger“ zu beachten. Indirekt sind die Verfassungsrichter also auch der Meinung, dass der Rundfunkbeitrag nicht auf Dauer steigen kann und darf – Reformen unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit stehen ebenso im Mittelpunkt wie die Unabhängigkeit des ÖRR.

Die Karlsruher Bundesrichter sagen aber auch sehr deutlich: Das Land Sachsen-Anhalt habe gegen seine „Handlungspflicht“ verstoßen, für die „funktionsgerechte Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten“ zu sorgen. Den ör Rundfunkanstalten stehe ein „grundrechtlicher Finanzierungsanspruch“ zu. Jedes einzelne Bundesland unterliege einer konkreten verfassungsrechtlichen Handlungspflicht, da nur durch die Zustimmung aller Länder der Medienstaatsvertrag zustande kommt.

Im Urteil verweisen die Richter auf die herausgehobene Bedeutung des ÖRR. So ist die Aufgabe aller 13 ör Sendeanstalten (inkl. Arte), „durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltsicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden“. Dies gelte „gerade in Zeiten vermehrten komplexen Informationsaufkommens einerseits und von einseitiger Darstellungen, Filterblasen, Fake News, Deep Fakes andererseits“. Dieses dürfte auch ein Wink an ARD und ZDF sein, die in den Hauptsendezeiten immer weniger anspruchsvolle Sendungen anbieten. Die geplante Verschiebung vom ARD „Weltspiegel“ von Sonntag 19:20 Uhr auf Montag 22:50 Uhr, in die sogenannte „Todeszone“, und die Reduzierung von zeitkritischen Magazin-Sendungen, sprechen eine deutliche Sprache. ARD und ZDF verlangen zwar mehr Geld, aber sie orientieren sich immer mehr an guten Einschaltquoten.

Damit die ör Sendeanstalten ihre Aufgaben getreu den Medienstaatsverträgen erfüllen können, so das Bundesverfassungsgericht, sei eine „funktionsgerechte“ Finanzierung nötig, die „frei von medienpolitischen Zwecksetzungen“ sein müsse. Allgemeine Rundfunkgesetzgebung und Festsetzung des Rundfunkbeitrags müssten getrennt sein. Dem werde das gestufte und kooperative Verfahren der Feststellung des Finanzbedarfs der Sendeanstalten „am ehesten gerecht“. Von der Empfehlung de KEF können die Politik zwar abweichen, doch komme als Abweichungsgrund nur die „angemessene Belastung der Rundfunkteilnehmer in Betracht“, dafür müsse es nachprüfbare Gründe geben. Abweichen könnten die Länder von der Empfehlung der KEF auch nur „einvernehmlich“ – also alle 16 Länder gemeinsam. Wenn ein Land dies erreichen möchte, müsse es „das Einvernehmen aller Länder über die Abweichung“ herbeiführen. Dem Land Sachsen-Anhalt ist das aber nicht gelungen.

Für das BVG war eine „tragfähige Begründung“ für die Ablehnung des erhöhten Rundfunkbeitrags nicht zu erkennen. Die Kritik von Sachsen-Anhalt, man habe sich seit Jahren vergeblich um eine Strukturreform des ÖRR bemüht, rechtfertige die Ablehnung nicht. Für besondere Belastung der Beitragszahler durch die Corona-Pandemie habe das Land keine überzeugenden „Tatsachenannahmen“ benannt. Die Magdeburger Regierung hat also unterschiedliche Medien-Themen miteinander verquickt, nur um die Gebührenerhöhung zu verhindern. Das war Parteipolitik.


Das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 5.8.2021: 1 BvR 2756/20, 2775/20, 2777/20) vertritt die Auffassung, wonach ARD, ZDF und Deutschlandradio die Beitragserhöhung rückwirkend zum 1. Januar zustehe. Man sehe aber davon ab, diese Kompensation schon jetzt zu verfügen. Sie müsse durch eine neuen Medienstaatsvertrag erfolgen. Damit greifen sie den anstehenden Neuverhandlungen vor. Das würde aber im Klartext bedeuten, der Rundfunkbeitrag wird nicht nur um 86 Cent steigen sondern um einen noch höheren Betrag – als Kompensation für den Zeitraum ab 1. Januar 2021. Die Umsetzung der vorläufigen Erhöhung des Rundfunkbeitrags werde man gemeinsam mit ARD, Deutschlandradio und dem „Beitragsservice“ vorbereiten, so ZDF-Intendant Thomas Bellut.


Mit dem Urteil ist auch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) zufrieden. Das BVG stelle „erneut klar, dass die Festsetzung des Rundfunkbeitrags frei von medienpolitischen Zwecksetzungen erfolgen muss. Insbesondere dürfe eine Entscheidung des Gesetzgebers über Zeitpunkt, Umfang oder Geltungsdauer der Beitragsfestsetzung nicht zu Zwecken der Programmlenkung oder der Medienpolitik benutzt werden. Allein im Rahmen der allgemeinen Rundfunkgesetzgebung darf dieser die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abstrakt festlegen und damit auch den Finanzbedarf umgrenzen. Das sichert die Unabhängigkeit der Rundfunkanstalten“, sagte der KEF-Vorsitzende Heinz Fischer-Heidlberger.

Das Urteil der Bundesverfassungsrichter war zu erwarten – es folgt einer jahrelangen Linie. Danach genießt die Unabhängigkeit des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks Verfassungsrang und eine Vermischung von Finanzierungsfragen mit der Medienpolitik und mit inhaltlichen Fragen des ÖRR ist unzulässig. Nicht nur in der Bevölkerung sondern auch in Teilen der Politik ist dieser Punkt immer noch nicht klar geworden. Das ist auch ein Fehler von ARD und ZDF – hier braucht es sofort Medien-Informations-Sendungen. Zudem wird es Zeit, dass sich die ARD- und ZDF-Verantwortlichen dem Publikum in Diskussions-Sendungen zu Medienfragen stellen.

Die Bundesrichter, die keine Medien-Experten sind, hätten aber durchaus einige kritische Worte hinsichtlich der großen ÖRR-Apparate, mit 19 Fernseh- und 78 Hörfunk-Programmen, zuzüglich unzähliger Online-Angebote, machen dürfen. Mit bis zu 11 Mrd. Euro für 13 ör Sendeanstalten (inkl. Deutsche Welle und Arte) ist das Maß des ÖRR mehr als nur großzügig ausgebaut worden. Und wie schwer sich Politik und Landtage mit dem Thema Rundfunkreform tun, hat die Regierung Haseloff mit ihrer medienpolitischen Achterbahnfahrt nun auch dem Verfassungsgericht deutlich vor Augen geführt. Kurzum: Die Politik hat versagt und jetzt können nur noch Medien-Experten helfen. Denn im Interesse des ÖRR, der zahlenden Bürger, der Politik, der Gesellschaft und der Demokratie muss der gordische Knoten zerschlagen werden. Juristen können die Medienprobleme aber nicht lösen.

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