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Hans-Jürgen Kupka

Medienhaus: Ohrfeige für den RBB


Das nicht-gebaute Digitale Medienhaus - Foto Baumschlager Eberle Architekten


Was der Landesrechnungshofes Berlin (LRH) am Donnerstag (28.11.24) der neuen rbb-Geschäftsleitung um Intendantin Demmer in seinem Prüfbericht präsentierte, ist nichts anderes als eine schallende Ohrfeige für die Verantwortlichen aus der Ära Schlesinger. Und zwar eine sehr teure. Das geplante Digitale Medienhaus ist völlig aus dem Kostenrahmen gefallen und am Ende steht ein Verlust von 6,88 Mio Euro. Die geplanten Kosten sind dabei geradezu explodiert. Von 63 Mio Euro im April 2018 bis zu rd. 311 Mio Euro im Jahr 2022. Es ist schon fast ein Wunder, dass der Schaden bei "nur" rd. 7 Mio Euro liegt. Das Fazit lautet: Die rbb-Chefetage mit der damaligen Intendantin Patricia Schlesinger hat beim Projekt Digitales Medienhaus (DMH) so ziemlich alles falsch gemacht. Im Prüfbericht finden sich lange Auflistungen von Versäumnissen, Nachlässigkeiten und Pflichtverletzungen.


Ende 2022 hatte Interimsintendantin Katrin Vernau die Planungen für den überdimensio-nierten Glaspalast gestoppt, die Kosten waren schon lange aus dem Ruder gelaufen. Es gab Vorarbeiten, Beraterleistungen und Verträge mussten wieder abgewickelt werden. Die Prüfer stellten unter anderem Regelungsdefizite fest. So fehlten dem RBB etwa eigene Regelungen für Baumaßnahmen - und an die dadurch geltenden landesrechtlichen Vorgaben habe man sich ebenfalls nicht gehalten. Obwohl es im rbb eine fachlich qualifizierte Bauabteilung gegeben habe, sei die Baumaßnahme "maßgeblich durch externe Dritte" vorbereitet worden. Und noch extremer: "Die mit der Baumaßnahme DMH befassten internen Organisationsein-heiten unterlagen sogar dem fachlichen Weisungsrecht der externen Gesamtprojektleitung." Im Klartext: Die rbb-Fachleute wie Bauingenieure und Architekten wurden kaltgestellt. Dabei sei die Bauabteilung nach Auffassung der Prüfer "fachkundig" gewesen und es hätte "aus-reichende Steuerungs- und Koordinierungskapazitäten" gegeben. Doch stattdessen hatten teure externe Berater und Projektentwickler das Sagen beim Medienhaus-Projekt. Der damaligen Senderspitze fehlte ganz offensichtlich das Vertrauen in die eigenen Leute.


Auch habe es vorab keine Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Bedarfsprognosen gege-benen, so die Prüfer. Die Gesamtkostenschätzungen seien zudem nicht transparent gemacht worden. Die Prüfer attestieren dem rbb unter der 2022 fristlos gekündigten Intendantin Schlesinger schon in der Frühphase der Planungen für das Medienhaus am Standort Berlin schwere Versäumnisse. So sei nicht daran gedacht worden, für den Bau des DMH ein Bedarfsprogramm mit belastbaren Angaben zur benötigten Fläche und einen Kostenrahmen einschließlich Obergrenze aufzustellen. Dieser Bau war auch noch ein baulicher Blindflug. Zudem wurden nach Ansicht der Rechnungshof-Prüfer die vorhandenen Erkenntnisse zu den voraussichtlichen Gesamtkosten der Baumaßnahme nicht vollständig in den Wirtschaftsplä-nen 2021 und 2022 berücksichtigt und dadurch der "Gesamtfinanzierungsbedarf für die Investition in Millionenhöhe zu niedrig angegeben".  Bedeutet im Klartext: Die rbb-Geschäfts-leitung pokerte von Anfang an hoch und ging mit den Kostenschätzungen nicht transparent um. Davon waren auch die Kontrollgremien (Rundfunk- und Verwaltungsrat) betroffen.


Das von der ehemaligen Intendantin Patricia Schlesinger auch öffentlich häufig als besonders kostengünstig gelobte Partnering-Vertragsmodell kritisieren die Prüfer ebenfalls. Entgegen interner rbb-Beschaffungsvorgaben wählte der Sender damit ein Vertragsmodell, dessen Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen wurde. Zudem besteht bei dem Modell das Risiko späterer Interessenkonflikte. Beim Partnering-Modell übernimmt der Auftragnehmer zunächst Planungsaufgaben und später die sich daraus ergebenden Bauleistungen - keine gute und vor allem wohl keine wirtschaftlich sinnvolle Idee, so die Prüfer des Landesrechnungshofs. "Der RBB hat außerdem nicht im Rahmen einer systematischen Wirtschaftlichkeitsunter-suchung geprüft und dargelegt, ob das für die Realisierung des DMH gewählte Partnering-Vertragsmodell wirtschaftlich vorteilhaft ist", lautet das Fazit der Prüfer.  


Zudem herrschte bereits im Planungsverfahren offenbar Chaos bei den Abläufen. So wurden Planungsleistungen für die sogenannte Leistungsphase 3 vergeben, bevor die zweite Leistungsphase abgeschlossen und eine "baufachlich geprüfte und genehmigte Vorplanung mit vollständiger Kostenschätzung" vorlag, heißt es im Prüfbericht. Alles offenbar frei nach dem Motto: Tempo, Tempo, wir müssen weiterkommen. Weil Schnelligkeit offenbar vor Sorgfalt ging und hier und da Sachkenntnisse fehlten, hat der rbb schon in der Planungsphase des DMH auch gegen die Haushaltsordnung des Landes Berlin verstoßen. So jedenfalls sieht das der Landesrechnungshof. Ebenso stellen die Prüfer Verstöße gegen die in Berlin geltenden Anweisungen für Baumaßnahmen im öffentlichen Sektor fest.  


Der rbb als Anstalt des öffentlichen Rechts kann als Bauherr nicht frei entscheiden, wie der Bau eines Gebäudes abzulaufen hat. "Für die Wahrnehmung seines Auftrags gelten für den RBB […] die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Diese staatsvertraglich normierten Grundsätze der Wirtschaftsführung gelten auch für Baumaßnahmen", befinden die Prüfer. Und genau diesen Grundsätzen wäre der rbb verpflichtet gewesen. Doch Miss-management, Ungeduld und wohl eine ordentliche Portion Größenwahn haben zu einem Desaster geführt, das den rbb nicht nur viel Geld gekostet hat, sondern auch seiner Reputation erheblichen Schaden zugefügt hat.


Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) begrüßt den am Donnerstag vom Landesrech-nungshof Berlin vorgelegten Bericht zu seinem beendeten Projekt "Digitales Medienhauses (DMH)". "Der Bericht beschreibt sehr genau institutionelle Defizite und gibt uns mit seinen Empfehlungen eine wichtige Richtschnur für unser künftiges Handeln", sagte rbb-Intendantin Ulrike Demmer. "Wir haben mit dem Rechnungshof bei der Erstellung des Berichts vertrauensvoll zusammengearbeitet und ihn bei allen Anfragen umfassend unterstützt. Die Ergebnisse zeigen, dass beim DMH grundlegende Fehler gemacht wurden. Der Bericht zeigt aber auch, wie man diese Fehler vermeiden kann. Daraus ziehen wir Konsequenzen."


"Zu den grundsätzlichen Hinweisen des Rechnungshofes gehört die Feststellung, dass der rbb in seinen Abläufen sehr viel stärker die fachlichen Kompetenzen der Hauptabteilung Gebäudemanagement hätte nutzen sollen. Es war ein Fehler, das Projekt nicht dort zu führen, sondern das Projektmanagement und damit originäre Bauherrenaufgaben komplett nach außen zu geben. Auch das ist eine wichtige Lehre für die Zukunft, auch das werden wir künftig besser machen", sagte Demmer.


Zu den Maßnahmen, die der rbb nun in die Wege leitet, gehört die Schaffung einer eigenen Regelung für Baumaßnahmen, die sich an der Allgemeinen Anweisung für die Vorbereitung und Durchführung von Bauaufgaben Berlins, dem Regelwerk der Senatsverwaltung, orientiert. Der rbb hat dem Rechnungshof unter anderem zugesagt, den Planungsablauf einzuhalten, risikohaltige Verfahren und Vertragsmodelle, wie das so genannte Partnering-Modell, zu vermeiden und eine belastbare Kostenobergrenze verbindlich in Planungsaufträgen zu ver-einbaren. Der Bericht unterstreicht zudem die Notwendigkeit, früh für solche Baumaßnahmen einen Kostenrahmen zu ermitteln und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen, transparent über Kostenentwicklungen zu informieren sowie die Bauaktenführung im Sender zu optimieren.


Auch die im ebenfalls am Donnerstag veröffentlichten Jahresbericht des Rechnungshofes Berlin festgehaltenen Empfehlungen und Erwartungen zur Altersversorgung des Senders betrachtet der rbb als wichtige Hinweise für das eigene Vorgehen. rbb-Verwaltungs-, Produktions- und Betriebsdirektorin Nicole Küchler-Stahn: "Wir wollen die angesprochenen Punkte bei der künftigen Ausgestaltung unserer Regelungen für die Altersversorgung berücksichtigen. Parallel suchen wir den direkten Austausch mit dem Rechnungshof. Ein Teil der tariflichen Vereinbarungen für die Altersversorgung wird allerdings nicht durch den rbb allein abgeschlossen, sondern in der ARD. Da sind unsere Gestaltungsmöglichkeiten begrenzt."


Auf den Kosten ohne einen Gegenwert in Höhe von 6,9 Mio Euro bleibt der rbb nun sitzen - aber in den letzten Monaten ist im Programmbereich schon reichlich eingespart worden. Die Zuschauer und Zuhörer merken es und die rbb Mitarbeiter monieren es. Der Fall Schlesinger sollte allen ÖRR-Führungsleuten und auch den Politikern verdeutlicht haben, auf die Chef-posten an den Senderspitzen gehören Experten und keine Ex-Redakteure und -Moderatoren, die einen Sender mit einem Freizeitverein verwechseln. Denn dafür ist der ÖRR für die Gesell-schaft und die Demokratie zu wichtig.





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