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Rundfunk-Rettung oder Scherbenhaufen ?


ARD-Vorsitzender Ulrich Wilhelm (Foto BR)


Politiker diskutieren über Rundfunk-Finanzierung und Sparkonzepte 

Die 16 Länder-Chefs in Deutschland sind entweder sehr geduldige Menschen oder ihnen ist das Thema Reformierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht so wichtig. Seit über drei Jahren erwarten sie von den ARD/ZDF-Verantwortlichen konkrete Vorschläge zu Sparkonzepten und Neuaufstellung des ÖRR. Doch die Anstalts-Oberen stellen sich stur und lassen die Politiker in einer Art olympischer Dauer-Disziplin ins Leere laufen.Die Ministerpräsidenten diskutierten am 21. März in Berlin über ein Index-Modell zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags ab 2023. Am 6. Juni wollen sie über das künftige Finanzierungsmodell für ARD, ZDF und Deutschlandradio entscheiden. Die Rundfunkkommission der Länder soll bis zu diesem Datum einen Vorschlag unterbreiten, nach welchem Modell die Beitragshöhe künftig bestimmt werden soll. In der Diskussion sind mehrere Varianten. Im Mittelpunkt der Überlegungen stehe ein Index-Modell, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die auch Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder ist. Dabei wäre die Beitragsentwicklung unter anderem an die Preisentwicklung gekoppelt. Das neue Modell soll frühestens ab 2023 umgesetzt werden. Dreyer sagte, der künftige Beitrag müsse von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert werden. Gleichzeitig müssten die Rundfunkanstalten stärkere Sparanstrengungen vornehmen. Derzeit beträgt der Rundfunkbeitrag 17,50 Euro pro Haushalt im Monat (Jahr 210 Euro), und ist damit höher als in Britannien (174), Frankreich (138) und Italien (90).

Da die jetzige Beitragshöhe nur noch bis Ende 2020 gilt, drängt die Zeit. Die 11 Sendeanstalten müssen bis Ende April ihren Finanzbedarf bei der KEF anmelden. Die „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF) gibt dann Anfang 2020 einen Vorschlag zur Beitragshöhe ab. Anschließend entscheiden die Länderchefs und die 16 Parlamente darüber. Diese werden sich die Finanzwünsche sehr genau ansehen, insbesondere was ARD und ZDF als angemessen für ihre künftige Finanzausstattung bezeichnen. „Aus Ländersicht ist und bleibt es wichtig, dass diese Anmeldungen moderate Bedarfsanmeldungen sind, weil sie die Grundlage für das künftige Finanzierungsmodell darstellen sollen“, sagte Dreyer. Sie mahnte ARD und ZDF zu mehr Sparsamkeit. Die Sparvorschläge der Anstalten vom September 2017 seien für die Ministerpräsidenten nicht ausreichend. Es gebe noch Spielräume etwa bei Produktionskosten und der Verwaltung. Aktuell will der ÖRR nur 153 Mio. Euro pro Jahr sparen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) forderte ebenfalls weitere Einsparungen. „Die von den ör Rundfunkanstalten vorgelegten Einsparvorschläge erfüllen noch nicht die Erwartungen“. Außerdem seien vor der Entscheidung über ein neues Modell noch zahlreiche Fragen zu klären – „sowohl im Grundsatz wie auch im Detail“. Wichtig aus seiner Sicht sei eine starke Beteiligung der Landtage. Auch der KEF-Vorsitzende Heinz Fischer-Heidlberger hält das Index-Modell für problematisch. Bei einer Indexierung stünde der Beitrag in keiner Beziehung zum tatsächlichen Finanzbedarf der Anstalten.

Wie ein Gutachten von Thomas Hirschle (der lange Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg und Mitglied der KEF war) gezeigt hat, ist ein Voll-Indexierungs-Modell für eine sichere Finanzierung des ÖRR ungeeignet. Hirschle sieht die Gefahr einer „unkontrollierte Flexibilität der Anstalten“ und schlussfolgert: Das alles wäre weder verfassungs- noch europarechtlich zulässig (dwdl 18.3.2019).

Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm hatte der DPA schon Ende Dezember erklärt, dass die Koppelung an die Inflationsrate „am Ende ein gangbarer Weg sein“ könnte. Der Index decke allerdings nicht die tatsächlichen Kostensteigerungen ab, sondern wäre für ARD und ZDF „eine stetige Schrumpfung“. Wie „Focus” berichtet, sagte Wilhelm am Samstag den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Wenn wir den heutigen Leistungsstand mit qualitätsvollen Programmen in den Jahren 2021 bis 2024 halten wollen, brauchen wir dann einen Ausgleich der Teuerung – orientiert am Verbraucherpreisindex.“ Gegenüber DPA am Donnerstag teilte er mit: „Ein Index-Modell halten wir für einen grundsätzlich gangbaren Weg, solange die Grundsätze einer bedarfsgerechten Finanzierung sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen beachtet werden.“ Dabei komme es auf die konkrete Ausgestaltung an. Die ARD sei bereit, die Länder dabei konstruktiv zu begleiten. „Gleichzeitig stehen wir als ARD hinter unseren Zusagen zu fortlaufenden Sparanstrengungen und Reformen“, sagte Wilhelm. „Seit 2009 bewegt sich das verfügbare Beitragsaufkommen der ARD unterhalb des Verbraucherpreis-Index und deutlich unterhalb der medienspezifischen Teuerung.“

Und so kann der logische Schritt nur sein, dass die Sendeanstalten grundsätzliche und nachhaltige Reformen in allen Bereichen realisieren, um den ÖRR zukunftssicher zu gestalten. Dieses ist um so notwendiger, da in Zeiten von Streaming-Diensten wie Netflix und Co. ARD und ZDF immer mehr Zuschauer verlieren. Und wenn Malu Dreyer als Landeschefin sagt, das der künftige Beitrag von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert werden müsse, dann müssen Politiker und ÖRR-Verantwortliche endlich ihre Hausaufgaben machen und jahrelange Hinhalte-Spiel beenden. Ansonsten kann es passieren, dass Bürger in naher Zukunft der Geduldsfaden reißen wird. Das Ergebnis wäre ein rundfunkpolitischer Scherbenhaufen.

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