top of page

Politischer Reform-Unwille – dafür steigt der Rundfunk-Beitrag


Jessy Wellmer  © WDR/Herby Sachs


Die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer haben sich nicht auf eine umfassende Reform des Rundfunkbeitrags einigen können und damit ist auch ein Index-Modell vorerst vom Tisch. Wie die „FAZ“ berichtet (8.11.2019), haben sich die Bundesländer nicht auf das Index-Modell (der Beitrag sollte nur mit der Teuerungsrate steigen) einigen können. Das bestätigte Oliver Schenk, Leiter der sächsischen Staatskanzlei. Die Reform des Rundfunkbeitrags ist damit zunächst gescheitert. „Auch wenn alle Länder grundsätzlich für Reformen sind, ist die Zeit für einen Paradigmenwechsel durch das Index-Modell anscheinend noch nicht reif“, so Schenk gegenüber der „FAZ“. 

Derzeit prüft die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) den von ARD und ZDF angemeldeten Finanzbedarf für den Zeitraum zwischen 2021 bis 2024. In wenigen Tagen/Wochen wird die KEF der Politik eine Einschätzung mitteilen. In aller Regel kürzt die KEF die Anmeldung deutlich zusammen und auf Basis dieses Ergebnisses entscheiden die Bundesländer über die künftige Höhe des Rundfunkbeitrags. Schenk sagt nun gegenüber der „FAZ“, der künftige Rundfunkbeitrag werde ab 2021 wahrscheinlich auf „18 Euro plus X“ steigen. Das erscheine ihm realistischer als 19 Euro oder mehr. Derzeit liegt der monatliche Rundfunkbeitrag bei 17,50 Euro (210 pro Jahr).

Sollte es so kommen, dürfen die Verantwortlichen im ÖRR heimlich jubeln und ihre unverantwortliche Anti-Reform-Politik weiterführen. So geht Medienpolitik heute: Der ÖRR täuscht Reformen vor und verlangt jährlich 750 Mio Euro mehr – droht zeitgleich mit Programm-Reduzierungen, wenn die Landesregierungen den Rundfunk-Beitrag nicht erhöhen. Nun ja, ARD, ZDF und Deutschlandradio haben ein wenig Reform- und Sparwillen gezeigt. Aber es war nur eine Taktik. Zur Freude von einigen Landespolitikern (diese lästigen Erhöhungs-Debatten) und zum Verdruss von Bürgern und Medienexperten (wann kommen die Reformen ?).

Die ör Sendeanstalten „hatten durch Hinhalten die Politik herausgefordert, selber eine öffentlich-rechtliche Agenda zu formulieren. Wohl wissend, dass es im Länderkreis unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, was das öffentlich-rechtliche System zu leisten hat und wie die Finanzierung zu leisten ist. In Ländern, wo große ARD-Anstalten und das ZDF ihren Sitz haben, werden für die Vorstellungen und Wünsche der Sender größere Sympathien gehegt. Daraus erwuchs Unfähigkeit und keine gemeinsame Zukunftsidee für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Politik erlaubt sich – nach Jahren des Papiereschreibens, der Vorschläge und Debatten –, ihre Unfähigkeit festzustellen“ (TAGESSPIEGEL 8.11.2019).

Aus Angst vor Bürgerprotesten wird es nur eine kleine Erhöhung geben – „18 € + X“. Mit dieser Methode haben ARD und ZDF nochmal ihr Ziel erreicht: Wozu grundsätzliche Reformen, wir machen weiter wie bisher. Aber auf Dauer betrachtet, werden die ör Sendeanstalten damit keinen Erfolg haben. Denn immer mehr Bürger zeigen ihnen die kalte Schulter (z.B. durch Streamingdienste) und aus den derzeitigen Problemen, werden immer größere (gesellschaftspolitische) Probleme werden. Bei den Zuschauern im Alter von 14 bis 49 Jahren erreichen ARD/ZDF nur noch jeweils 6% und bei den Dritten sind es nur 5,2 % Marktanteil (2018). Das Durchschnittsalter der Zuschauer beim ZDF beträgt ca. 64/65 Jahre – bei der ARD nur etwas besser und bei den Dritten ist es weit höher.

In Zukunft wird der ÖRR noch schwerer um sein Überleben – um seine Akzeptanz bei den Bürgern, kämpfen müssen und damit hat er sich aktuell einen Bärendienst erwiesen. Wie wird es wohl in 10 bis 20 Jahren aussehen … ? Die Zuschauer haben sich längst an die Sendungen der Streamingdienste gewöhnt – auch wenn sie dafür eine Extra-Gebühr zahlen müssen. Die Ablehnungsquote beim ör Fernsehen in der Altersgruppe 14 bis 49 Jahre beträgt insgesamt 82,8 Prozent (Marktanteile 2018 in Prozent: Erste 6, ZDF 6, Dritte 5,2).

Dabei gibt es kluge Alternativ-Konzepte: Reduzierung der ör Gesamteinnahmen von aktuell über 10 Mrd. (davon 85% über den Beitrag) auf ca. 6,5 Mrd. Euro, Konzentration auf typisch-öffentl.-rechtliche Sendungen, Reduzierung der FS-Programme von 19 auf 8 oder 9, Reduzierung der HF-Programme von 77 auf 26, sinnvolle Online-Angebote, Angleichung der ör Gehälterstruktur an den des öffentl. Dienstes (TVöD), Begrenzung der Jahres-Einkommen auf max. 0,2 Mio. Euro für Intendanten und Direktoren (und weitere), Schaffung von effektiven Verwaltungsstrukturen, Einrichtung von Hörer- und Zuschauerräten, Finanzierung des ÖRR über Steuern (mit KEF-Prüfung) – wie in anderen demokratischen Staaten der Welt und natürlich mehr Programm-Qualität in allen ör Kanälen. Nur mit diesen wahren und nachhaltigen Reformen kann der ÖRR seine Akzeptanz bei den Bürgern auf Dauer sichern. Alles andere führt unweigerlich in eine Sackgasse und wird den ÖRR in die Knie zwingen. Früher oder später. Dafür übernehmen schon heute Politiker und Intendanten die ganze Verantwortung.

bottom of page