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… oder, warum darf die 20-Uhr-Tagesschau nicht bis 20.20 Uhr senden ?
Die Tagesschau von ARD-aktuell aus Hamburg funktioniert wie eine Schweizer Uhr – 15 Minuten lang. Auf die Sekunde um 20 Uhr (eine heilige ARD-Kuh) startet die Tagesschau, und das seit dem 26. Dezember 1952. Versuchssendungen gab es ab dem 4. Januar 1952 und nur einmal wurde nicht aus Hamburg gesendet – viel die Sendung aus. Bedingt durch einen Warnstreik der Medien-Gewerkschaft RFFU am 25.7.1988, gab es eine Ersatzsendung vom Bayerischen Rundfunk aus München. Zur Begründung hieß es in dieser Sendung, die Tagesschau werde „heute wegen höherer Gewalt aus München“ gesendet. Ebenso wird die Tagesschau nicht im 1.Programm ausgestrahlt, wenn König Fußball regiert – dann müssen sich die Zuschauer in der Halbzeitpause mit knappen acht Minuten Nachrichten begnügen. Die reguläre Tagesschau wird aber, wie gewohnt, in 6 Dritten Programmen, Tagesschau24, 3sat, ARD-Alpha und Phoenix (mit Gebärdensprache) ausgestrahlt. Seit dem 11. April 2016 wird die 20-Uhr-Tagesschau auch vom BR-Fernsehen übernommen (da die Sendung auch in Bayern sehr beliebt ist), aber mit Bayerischen Wetterfilm und gemalten Regional-Karten. Nur der Mitteldeutsche Rundfunk übernimmt die 20-Uhr-Tagesschau nicht, da er um 19.30 Uhr eine eigene (Welt-) Nachrichten-Sendung im Programm hat, finanziert mit eigenen Finanzmitteln. Hat der MDR zu viel Geld ?In den Köpfen der Bürger und Zuschauer ist der Sendebeginn mit Show, Serien und Filmen um 20.15 Uhr, die zweite heilige Kuh der ARD, fest verankert. Aber, so regelmäßig es in Deutschland regnet, so regelmäßig überzieht die 20-Uhr-Tagesschau auch ihre Sendezeit. Allein in den letzten sieben Wochen, reichte der Tagesschau ihre heiligen 15 Minuten nicht aus. Um jeweils 1 Minute wurde die Sendedauer überzogen am 29.6., 5.7., 2.8. und am 16.8.2018, um 2 Minuten am 18.7. und um 3 Minuten am 28.7.2018. Am letzten Dienstag, dem 14.8.2018, überzog die Tagesschau sogar um stolze 6 Minuten (nicht mitgerechnet sind Überziehungen von bis zu 30 Sekunden). Allein für Berichte und Interview rund um den Einsturz der Autobahnbrücke in Genua wurden 5 Minuten verwendet, was aber auch in Ordnung war.
Die Kritikpunkte an der ARD und ihrer 20-Uhr-Tagesschau sind aber folgende: Einerseits werden am nächsten Tag im ARD-Text (zu sehen über das 1.Programm) die überzogenen Minuten nicht angegeben, es bleibt immer bei 20.15 Uhr, andererseits wollen die ARD-Chefs und der Verantwortliche von ARD-aktuell, Kai Gniffke, sich nicht eingestehen, dass das Welt-Tagesgeschehen nicht in 14 Minuten zur besten Sendezeit dargelegt werden kann. Eine Minute wird für An- und Abmoderation und Wetterbericht benötigt. Im ARD-Text am 15.8.2018, nach dem Genua-Unglück, wurde die Uhrzeit 20.20 (Beginn der Serie) angegeben, obwohl die Tagesschau am 14.8.2018 laut ARD-Mediathek eine Sendedauer von 21 Minuten und 9 Sekunden hatte (die wahren Daten bringt aber der RTL-Text). Und laut Sendestatistik, dauert eine 20-Uhr-Tagesschau im Jahresdurchschnitt ganze 16 Minuten. Warum also, wollen die ARD-Chefs diese Realitäten nicht anerkennen ? Fragen dbzgl. von „Neue ARD-Forum“ hat der ARD-Vorsitzende, Ulrich Wilhelm und der Chef von ARD-aktuell, Kai Gniffke, leider nicht beantwortet, obwohl Herr Wilhelm Veränderungen für die ARD eingefordert hat (s. TAGESSPIEGEL v. 5.8.2018).
Ein Blick in die europäischen Staaten zeigt deutlich, dass in der Regel die dortigen Fernsehgesellschaften zur Hauptsendezeit zwischen 19 Uhr und 20.30 Uhr, Nachrichten in einer Länge zwischen 25 und 30 Minuten ausstrahlen. Die 20-Uhr-Tagesschau mit 15 Minuten ist ein Unikum, ist ein deutscher Sonderweg – und dieses gilt auch für das Sendeformat und den Stil. Im Gegensatz zum Ausland, und auch zur 19-Uhr-heute vom ZDF und sogar von RTL aktuell um 18.45 Uhr, wird die gute alte Tagesschau nicht moderiert, sondern die Nachrichten werden vom Sprecher sichtbar vom Blatt abgelesen bzw. vom Teleprompter. Und so hat die Tagesschau ihre eigene „Kunstsprache“- aufgeschrieben von Redakteuren. Nur kein Wort zu viel – regulär stehen nur 14 Minuten zur Verfügung. Der ehemalige RTL-Chef Helmut Thoma sagte in diesem Zusammenhang einmal den Satz: „Die Tagesschau ist keine Sendung, sondern pure Gewohnheit. Die kann man auch in Latein verlesen.“
Und so kommt immer wieder Kritik auf. Von Bürgern, Medienexperten, Politikern, aber auch Rundfunk-Mitarbeitern. Für viel Aufsehen sorgte die Kritik vom Kultur- und Medien-Minister Rainer Robra aus Magdeburg. Er kritisierte die ARD insgesamt, aber auch die 20-Uhr-Tagesschau ganz direkt. Die Sendung ist zu kurz, sie sollte um 5 Minuten erweitert werden, um mehr Berichte aus den deutschen Ländern unterbringen zu können. Und im Übrigen haben die östlichen Sendeanstalten große Schwierigkeiten, Berichte aus ihren Sendegebieten in der 20-Uhr-Tagesschau einbringen zu können. Es gibt Tage, da erfährt der Zuschauer nur das notwendigste vom Tage – soweit dieses in 14 Minuten überhaupt möglich ist – aber was sich in Deutschland ereignet hat, da muss der Bürger schon andere Medien und Sendungen nutzen. Ist das Service-Freundlichkeit der ARD ?
Und wenn man davon ausgeht, dass ein Bürger in der Regel täglich nur eine Nachrichten-Sendung im Fernsehen sieht, ist das Angebot der 20-Uhr-Tagesschau für eine große Wirtschafts- und Kultur-Nation eindeutig zu wenig. Die ARD hat ein Finanzvolumen von jährlich über 7 Mrd. Euro zur Verfügung, ein sehr großes Korrespondentennetz und bei ARD-aktuell in Hamburg arbeiten über 300 feste Angestellte. Warum nutzt die ARD nicht ihr gesamtes „Kapital“ und wuchert mit diesen, von den Bürgern finanzierten, Pfunden und bietet dem Publikum zur besten Sendezeit um 20 Uhr eine zeitgemäße, umfassende, informierende und moderierte Tagesschau, in einer Länge von 20 Minuten – oder auch 25 oder auch 30 Minuten – wie im Ausland üblich. Die ARD-Welt wird nicht untergehen, wenn Show oder Serie nicht um 20.15 beginnen (was auch vorkommt, wenn ein „Brennpunkt“ ins Programm genommen wird). Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann und muss beweisen, dass er den Sendeauftrag in puncto Information auch um 20 Uhr sehr ernst nimmt.
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